Full text: Preußisches Staatsrecht. Erster Band. (1)

8 40 Rechtsverhältnisse des Staatsgebietes. 241 
zwar der Staat völkerrechtlich die Gebietshoheit über das erworbene 
Gebiet. Das Land wird preußisches Staatsgebiet, die Bewohner 
preußische Staatsangehörige, soweit es sich um das Verhältnis zu 
anderen Staaten handelt. Staatsrechtlich, d. h. den eigenen Staats- 
angehörigen gegenüber, bleibt aber das völkerrechtlich erworbene Gebiet 
Ausland, bis es durch eine Handlung der Staatsgewalt mit dem 
cigenen Staate vereinigt wird. Die Erwerbungen des Jahres 1866 
sind daher vermöge besonderer Gesetze dem preußischen Staatsgebiete 
einverleibt worden. Gegenwärtig ist jedoch diese Frage für das 
preußische Staatsrecht bedeutungslos geworden, da das Recht, Frieden 
zu schließen, auf das Reich übergegangen ist. 
Das Gebiet des preußischen Staates ist aber zugleich Reichsgebiet. 
Der Art. 1 der Reichsverfassung bestimmt das Bundesgebiet zwar nur 
durch Aufzählung der deutschen Staaten, doch ist dabei zu verstehen: 
in ihrem damaligen Umfange, da sonst der Art. 1 das Bundesgebiet 
nicht hinreichend begrenzen würde. Eine Veränderung der Grenzen 
des Reichsgebietes kann, weil in der Reichsverfassung nicht wie in 
Art. 2 der preußischen Verfassungsurkunde eine besondere Form vor- 
gesehen ist, nur erfolgen in den Formen der Verfassungsänderung, 
d. h. es dürfen im Bundesrate nicht vierzehn Stimmen dagegen sein. 
Sofern also ein deutscher Staat nicht zum Reiche gehöriges Gebiet 
mit sich vereinigen und dem Reichsgebiete anschließen oder einen Teil 
seines Gebietes an einen nichtdeutschen Staat abtreten will, bedarf es 
eines Reichsgesetzes in den für Verfassungsänderungen vorgeschriebenen 
Formen, außerdem aber der in den Landesverfassungen für Gebiets- 
veränderungen vorgeschriebenen Erfordernisses). Dagegen bleibt es den 
Einzelstaaten unbenommen, in den nach dem Einzelstaatsrechte vorge- 
sehenen Formen anderen deutschen Staaten gegenüber die Grenzen ihres 
Gebietes zu verändern. Eine Mitwirkung des Reiches ist hierbei nur 
erforderlich, soweit dadurch das Verhältuis der Einzelstaaten zum Reiche, 
3) Derart ist z. B. verfahren worden bei der Grenzregulierung 
zwischen Baden und der Schweiz im Jahre 1879 (R.-G.-Bl. 1879, 
S. 307). Die Ansicht von Laband, Staatsrecht des Deutschen Reiches, 
Bd. 1, S. 181, daß bei Abtretung von Bundesgebict in einem Friedens- 
schlusse nicht die Zustimmung des betroffenen Einzelstaates erforderlich 
sei, da der Kaiser nach Art. 11 Abs. 1 der Reichsverfassung namens des 
Reiches Frieden zu schließen habe, widerlegt sich aus den oben im 
Texte hinsichtlich der preußischen Verfassung angegebenen Gründen. 
Bornbak, Dreußisches Staatsrecht. 1. 2. Kufl. 16
	        
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