Full text: Preußisches Staatsrecht. Erster Band. (1)

246 Das Verfassungsrecht. 8 41 
Lehen des Landesherren gegen die Verpflichtung zur Treue und zur 
Leistung ritterlicher Kriegsdienste. Da alle anderen Stände in keinem 
unmittelbaren Verhältnisse zum Landesherren standen, die Staats- 
gewalt über sie vielmehr von Korporationen oder Einzelpersonen nicht 
im Aufstrage des Landesherren, sondern aus eigenem Rechte geübt 
wurde, so war das Verhältnis des Adels zu seinem Fürsten allerdings 
ein besonderes. Die Staatsangehörigkeit bestimmte sich daher für den 
Adel danach, ob er in einem Lande mit adligen Gütern angesessen 
war. Soweit dies der Fall war, sland er vermöge der Lehnsverbindung 
zu seinem Lehnsherren im Untertauenverhältnisse. Besaß jemand in 
verschiedenen Ländern Lehen, so hatte er in allen den Lehnseid zu 
leisten und wurde dadurch der Untertan mehrerer Fürsten, entweder 
nur mit Bezug auf das Lehen oder allgemein (landassiatus minns 
plenus und plenng). 
Die aus der Lehnsverbindung sich ergebende Staatsangehörigkeit 
ergriff aber nicht nur den Besitzer des Lehens, sondern auch seine 
ganze Familie, solange sie im Lande ihren Wohnsitz hatte. Nicht allein 
der Lehnsbesitzer, sondern auch seine Familie war landesunmittelbar. 
Sie hatte ihren Gerichtsstand vor den landesherrlichen Hofgerichten 
und war überhaupt nur den landesherrlichen Behörden unterworfen, 
dagegen von allen städtischen und patrimonialen Obrigkeiten eximiert. 
Für den ganzen Adel besteht demnach das unmittelbare Verhältnis 
zum Fürsten und seinen Organen. Die Staatsangehörigkeit des Adels 
regelt sich grundsätzlich nach dem Lehusbesitze in einem Gebiete. Alle 
angesessenen Adligen und ihre sämtlichen nicht angesessenen Familien= 
glieder sind Untertanen des Staates, dessen Fürst ihr Lehnsherr ist, 
und in dessen Gebiet ihr Lehen liegt2). 
Alle bäuerlichen Besitzer sind serner der Staatsgewalt als Unter- 
tanen unterworfen. Ihr Verhältnis zum Staate ist jedoch kein un- 
mittelbares. Vielmehr stehen sie zunächst unter ihrer Gutsobrigkeit, 
welche ihnen ihre Stellen verleiht und alle obrigkeitlichen Befugnisse 
2) Nicht zu verwechseln mit diesem Untertanenverhältnisse sind die 
besonderen Inkolatrechte der einzelnen Provinzen, welche lediglich die 
Voraussetzung für den Erwerb der Rittergüter bildeten. Vgl. 8 39 IIl, 
9 A. L.-R. Diese Inkolatrechte waren die Reste einer früheren be- 
sonderen Staatsangehörigkeit an die einzelnen Gebiete des prenßischen 
Staates, hatten aber diese Bedeutung seit Anfang des 18. Jahrhunderts 
verloren und waren nur noch die Bedingung besonderer ständischen Rechte-
	        
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