Full text: Preußisches Staatsrecht. Erster Band. (1)

8 41 Geschichtliche Entwicklung. 247 
aus eigenem Rechte über sie ausübt. Auch wo eine Gutsherrschaft 
nicht vorhanden ist, sind wenigstens in dem größten Teile Deutsch- 
lands die ländlichen kleineren Grundbesitzer nicht unmittelbare Unter- 
tanen des Landesherren. Dieser gilt vielmehr als Gutsherr der 
Domänen und der dazu gehörigen sogenannten Amtsdörfer, deren 
Bewohner er in doppelter Eigenschaft, unmittelbar als Gutsherr, mittel- 
bar als Landesherr, beherrscht. Da sämtliche Gutsherren ihrerseits 
wiederum der Staatsgewalt unterworfen sind, so bilden die Angesessenen 
des Dorfes und ihre Angehörigen die mittelbaren Untertanen des 
Landesherren. Für ihre Staatsangehörigkeit ist entscheidend, daß sie 
von einem Gutsherren eine bäuerliche Stelle als Besitz erhalten haben. 
Die Städte bilden geschlossene Korporationen, die neue Mitglieder 
nur unter gewissen, in den einzelnen städtischen Verfassungen ver- 
schieden geregelten Voraussetzungen zulassen. Diese Mitgliedschaft ist 
entweder eine solche zu vollem Rechte, das sogenannte Bürgerrecht, 
oder eine Art Passivbürgerrecht, das Recht der Schutzverwandten. Ge- 
werbe in der Stadt darf nur betreiben, wer das Bürgerrecht besitzt. 
Bürger und Schutzverwandte sind den Organen der städtischen Kor- 
poration unterworfen. Diese übt über ihre Mitglieder die Gerichts- 
barkrit und Polizei und erhebt von ihnen städtische Abgaben. Die 
Korporation selbst ist aber der Staatsgewalt untertan, welche über 
sie die oberste Aufsicht und Gerichtsbarkeit ausübt. So sind auch die 
städtischen Einwohner mittelbare Untertanen des Staates. Eine 
Sonderstellung nehmen jedoch die in der Stadt wohnenden Adligen 
und Beamten ein, welche in keiner Weise als Mitglieder der Kor- 
poration gelten und deshalb auch deren Organen nicht unterstellt 
sind. Das Kennzeichen für die Staatsangehörigkeit der städtischen 
Bevölkerung ist also einmal der Besitz des Bürgerrechtes. Jeder Voll- 
bürger ist Untertan des Staates. Zu den Untertanen gehören aber auch 
die bloßen Schutzverwandten. Dadurch wird die Frage der Staats- 
angehörigkeit etwas verschwommen, da als Schutzverwandte alle die- 
jenigen nicht eximierten Personen gelten, welche in der Stadt ihren 
dauernden Wohnsitz haben, ohne doch das Vollbürgerrecht zu besitzen. 
Als der ständische Patrimonialstaat allmählich durch das Beamten- 
tum des absoluten Staates zurückgedrängt wurde, mußte das landes- 
herrliche Beamtentum als gleichberechtigter Faktor zu den bisherigen 
drei Ständen hinzutreten. Der Staat konnte nicht einen Beamten, 
der aus dem Bauernstande hervorgegangen war oder auf dem Lande
	        
Waiting...

Note to user

Dear user,

In response to current developments in the web technology used by the Goobi viewer, the software no longer supports your browser.

Please use one of the following browsers to display this page correctly.

Thank you.