Full text: Preußisches Staatsrecht. Erster Band. (1)

8 41 Geschichtliche Entwicklung. 249 
gütern angesessenen Adligen. In den Städten stand die Ausübung 
der politischen Gemeinderechte, soweit von solchen überhaupt die Rede 
sein kann, nicht den bloßen Schutzverwandten, deren Untertanenver— 
hältnis allein durch den Wohnsitz begründet wurde, sondern lediglich 
den Bürgern zu. Da es zum Erwerbe des Bürgerrechtes einer be- 
sonderen Aufnahme durch den Magistrat bedurfte, so konnte die Be- 
rechtigung im einzelnen nicht zweifelhaft erscheinen. Die ständischen 
Rechte der Stadt wurden fernerhin von dem Magistrate ausgeübt, 
der nur aus Bürgern bestand. Die Bauern endlich waren im all- 
meinen von den politischen Rechten ausgeschlossen. Soweit bei der 
ländlichen Gemeindeverwaltung eine Tätigkeit der Gemeindeangehörigen 
stattfand, kamen nur die angesessenen Wirte in Betracht. Für die 
Frage, wer die Staatslasten zu tragen habe, und wem politische Rechte 
zustanden, war also die Staatsangehörigkeit bedeutungslos. Sie war 
demnach überhaupt staatsrechtlich ziemlich gleichgültig. Nur im völker- 
rechtlichen Verkehre konnten Zweifel entstehen, wer als Angehöriger 
des Staates anzusehen sei. Bei dem im Vergleiche zur Gegenwart 
äußerst geringfügigen Verkehre mit dem Auslande war aber auch hier 
die Frage von keiner besonderen Bedeutung. 
Es erscheint daher begreiflich, daß das A. L.-R. nirgends Be- 
stimmungen darüber trifft, wer als Staatsangehöriger zu betrachten 
sei. Da das Gesetzbuch vielfach nur von den Pflichten und Rechten 
der Einwohner spricht, so konnte man sogar zu der Annahme gelangen, 
daß nur der Wohnsitz die Staatsangehörigkeit begründe und aufhebe. 
Nach obigen Ausführungen war jedoch der Wohnsitz nur in zwei Fällen 
für die Staatsangehörigkeit entscheidend, einmal bei den nicht grund- 
besitzenden Angehörigen der im Lande angesessenen Adelsfamilien und 
ferner bei den städtischen Schutzverwandten. Aus 88 127 ff. II, 17 
A. L.-R. ergibt sich auch mittelbar, daß das Gesetzbuch keineswegs 
die bloße Einwohnerschaft zum Kennzeichen der Staatsangehörigkeit 
macht, sondern die oben entwickelte, aus der ständischen Rechtsordnung 
sich natürlich ergebende Auffassung befolgt. Es wird hier den Unter- 
tanen des Staates die Auswanderungsfreiheit ohne dessen Vorwissen 
entzogen. Nach 8 131 a. a. O. können jedoch Fremde, die sich zwar 
im Inlande aufgehalten, aber darin weder ein Amt übernommen noch 
Grundstücke angekauft noch bürgerliche Gewerbe getrieben haben, das 
Land jederzeit wieder verlassen. Sie sind eben unter diesen Voraus- 
setzungen noch nicht in einen der bestehenden Stände eingetreten. Nur
	        
Waiting...

Note to user

Dear user,

In response to current developments in the web technology used by the Goobi viewer, the software no longer supports your browser.

Please use one of the following browsers to display this page correctly.

Thank you.