Full text: Preußisches Staatsrecht. Erster Band. (1)

250 Das Verfassungsrecht. 8 41 
durch diesen Eintritt wird aber die Staatsangehörigkeit begründet, 
welche zum Bleiben im Staate verpflichtet. Wenn dagegen nach § 132 
a. a. O. auch den Fremden, welche sich im Staate wirklich nieder- 
gelassen haben, innerhalb der ersten zehn Jahre die Auswanderung 
gestattet wird, so läßt sich daraus nicht die Folgerung ziehen, daß 
die Staatsangehörigkeit erst nach zehn Jahren entsteht, sondern es 
wird ein Sonderrecht für die neuen Staatsangehörigen festgesetzt. 
Mit der Beseitigung der ständischen Gliederung der Gesellschaft 
durch das Edikt vom 9. Oktober 1807 mußten jedoch die bisherigen 
Kennzeichen der Staatsangehörigkeit zum großen Teile hinfällig werden. 
Man konnte nun zwar daran festhalten, daß jeder, der im Inlande 
Grundbesitz habe oder ein Amt belleide, Untertan des Staates sei. 
Dagegen wurde die Sache äußerst zweifelhaft hinsichtlich der Städte. 
Der in der Städtcordnung von 1808 noch festgehaltene Unterschied 
zwischen Bürgern und Schutzverwandten war seit 1822 aufgegeben. 
Schutzverwandte hießen seitdem nur die durch den Zensus von den 
politischen Gemeinderechten ausgeschlossenen Bürger der Stadt. Zum 
Erwerbe slädtischer Grundstücke und zum Betriebe von Gewerben 
waren jedoch die Schutzverwandten nunmehr ebenso berechtigt wie die 
Bürger. Nach dem in einem großen Teile des Staates noch gelten- 
den französischen Gemeinderechte und seinen Nachbildungen waren 
vollends Mitglieder der Gemeinde alle innerhalb ihres Bezirks woh- 
nenden Personen"). Als entscheidendes Merkmal der Staatsangehörig- 
keit blieb daher nach Beseitigung der ständischen Rechtsordnung nur 
noch der Wohnsitz. Die Frage wurde um so wichtiger, als man jetzt 
für staatliche Pflichten, besonders die Wehrpflicht, die Staatsangehörig- 
keit zur Voraussetzung machen mußte, während man allerdings für 
die neubegründeten ständischen Rechte an dem Erfordernisse des Grund- 
besitzes festhielt. Auch völkerrechtlich wurde die Staatsangehörigkeit bei 
dem steigenden Verkehre von größerer Bedentung als je zuvor. 
In zahlreichen Verträgen zwischen Preußen und anderen Staaten 
verpflichtete sich jeder Teil, die Vagabunden und Ausgewiesenen, 
welche seine Staatsangehörigen waren, aufzunehmen. Es bedurfte 
daher einer näheren Begriffsbestimmung für die Staatsangehörigkeit. 
In den zwischen Preußen und anderen deutschen Staaten während 
4) Vgl. Boruhak, Gesch. des preuß. Verwaltungsrechtes, Bd. 3, 
S. 17, 28, 37.
	        
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