l43 Reichs-- und Staatsangehörigkeit. 261
Dem Charakter des Bundesstaates entspricht eher das schweizer
System. Der Bundesstaat ist eine Vereinigung von Staaten. Unter-
tanen des Bundes können daher nur die Angehörigen der Einzel-
staaten sein. Es steht im Widerspruche mit diesem natürlichen Ver-
hältnisse, wenn man die Staatsangehörigkeit nach der Bundesangehörig-
keit bestimmt. Ueberdies geht durch das letztere System der individuelle
Charakter der Einzelstaaten verloren, und sie werden zu bloßen Pro-
vinzen. Legt man die Bundesangehörigkeit der Staatsangehörigkeit zu-
grunde, so kann man für letztere kein anderes besonderes Kennzeichen
aufstellen als den Wohnsitz der Bundesangehörigen in dem Einzel-
staate. Allerdings ist der Wohnsitz nicht etwas rein Tatsächliches wie
der Aufenthalt, er ist ein Rechtsinstitut, welches die Gewähr größerer
Dauer in sich trägt als der bloße Aufenthalt. Gleichwohl erscheint,
wenn man die Staatsangehörigkeit auf den Wohnsitz gründet, diese
immer nur als der Ausfluß der Herrschaft der Staatsgewalt über
das Land. Mit der Verlegung des Wohnsitzes aus dem Staatsgebiete
hört die Staatsangehörigkeit auf. Sie ergreift nicht mehr die
ganze Persönlichkeit des Angehörigen, sondern nur insofern er in einem
unmittelbaren Verhältnisse zum Lande steht. Das Glied eines Bundes-
staates kann jedoch die unbedingte Herrschaft über die Person seiner
Angehörigen ebensowenig entbehren als der selbständige Staat. Ent-
zieht man ihm diese Herrschaft und legt sie bloß dem Bundesstaate
bei, so wird dem Einzelstaate eine dem Staatsbegriffe wesentliche
Befugnis genommen, so daß er nur noch als Kommunalverband
erscheint.
Verlegt ferner der Staatsangehörige seinen Wohnsitz ins Ausland,
so würde sich nach dem nordamerikanischen Systeme daraus die Folge
ergeben, daß er nur noch Angehöriger des Bundesstaates, nicht aber
eines Einzelstaates sein würrdde. Wenn man in dieser Tatsache einen
Widerspruch mit dem Begriffe des Bundesstaates gesehen hat, so wurde
dabei außer acht gelassen, daß der Bundesstaat Staat ist und deshalb
sowohl Gebiet wie Angehörige besitzen kann, die keinem Einzelstaate
angehören. Auch das Deutsche Recht, welches nicht das nordameri-
kanische System befolgt, kennt Reichsangehörige, die nicht Staatsange-
hörige sind. Es ist dies der Fall in dem Reichslande Elsaß-Loth-
ringen und in den Schutzgebieten.
Dem bundesstaatlichen Charakter des Reiches entsprechend mußte
aber für die Regel das Reichsrecht die Staatsangehörigkeit zur Vor-