Full text: Preußisches Staatsrecht. Erster Band. (1)

262 Das Verfassungsrecht. 8 43 
aussetzung der Reichsangehörigkeit machen. Es werden die Normen 
für den Erwerb und Verlust der Staatsangehörigkeit gegeben, die 
Staatsangehörigkeit zu einem Bundesstaate trägt aber die Reichs- 
angehörigkeit in sich. Die Verleihung der Reichsangehörigkeit erfolgt 
daher durch die Verleihung der Staatsangehörigkeit seitens eines 
Bundesstaates. Auf diesen Grundsätzen beruht das Bundesgesetz über 
die Erwerbung und den Verlust der Bundes= und Staatsangehörigkeit 
vom 1. Juni 1870. In den Einzelheiten schließt sich es vorzugs- 
weise an das preußische Gesetz vom 31. Dezember 1812 an. 
Die Auffassung des wechselseitigen Verhältnisses von Bundes- 
und Staatsangehörigkeit ist bedingt von der Auffassung des staatsrecht- 
lichen Charakters des Bundesstaates überhaupt. Sieht man in dem 
Bundesstaate allein die sonveräue Staatsgewalt, unter der die Einzel- 
staaten als Selbstverwaltungskörper stehen, so entspricht der einheitlichen 
sonveränen Staatsgewalt auch die Einheitlichkeit der Bundes= und 
Staatsangehörigkeit. Die Einzelstaaten sind mit Land und Lenten 
der sonveränen Reichsgewalt unterworfen. Weil die Untertauen den 
Einzelstaaten angehören, deshalb gehören sie mit innerer Notwendig- 
keit dem Reiche an. „Die Angehörigen eines Bundesstaales sind nieht 
unabhängig von demselben, sondern durch diesen Bürger des Gesamt- 
staates“2). Diese Auffassung von der Bundes= und Staatsangehörig- 
keit ist jedoch unmöglich, wenn man, wie hier geschehens), in dem 
Verhältnisse von Bundesstaaten und Einzelstaaten keine Unterordnung, 
sondern eine Nebenordnung gleichberechtigter staatlichen Gewalten sieht. 
Bundes= und Staatsangehörigkeit fallen zwar stets in der Weise 
zusammen, daß jeder preußische Staatsangehörige zugleich Reichs- 
angehöriger istt), beide Eigenschaften können nur gleichzeitig entstehen 
und aufhören. Trotz ihres Zusammenfallens der Dauer nach bilden 
aber Reichs= und Staatsangehörigkeit kein einheitliches Rechtsverhält- 
nis, sondern sind von einander zu unterscheiden. 
2) Laband, Staatsrecht des Deutschen Reiches, Bd. 1, S. 124. 
3) Vgl. 8 11. 
4) Die Fälle, in denen vermöge der ausschließlichen Herrschaft 
des Reiches über gewisse Gebiete nur Reichsangehörigkeit ohne Staats- 
angehörigkeit besteht, sind hier als für das preußifsche Staatsrecht 
gleichgültig nicht mit berücksichtigt worden. Für Elsaß-Lothringen vgl. 
Laband Bd. 2, S. 197 ff., H. Schulze, Deutsches Staatsrecht, 
Bd. 2, S. 374.
	        
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