8 44 Erwerb der Reichs- und Staatsangehörigkeit. 273
c) an dem Orte, wo sie sich niederlassen wollen, eine eigene
Wohnung oder ein Unterkommen finden;
d) an diesem Orte nach den daselbst bestehenden Verhältnissen
sich und ihre Angehörigen zu ernähren imstande sind.
Daß diese Mängel nicht vorliegen bzw. die reichsrechtlichen Er-
fordernisse vorhanden sind, hat auf Erfordern der zu Naturalisierende
nachzuweisen. Er hat also auch den Nachweis seiner Verfügungs-
fähigkeit zu erbringen. Insbesondere entscheidet sich die Frage, ob
Ehefrauen selbständig zum Erwerbe der Staatsangehörigkeit berechtigt
sind, lediglich danach, ob ihnen die Verfügungsfähigkeit nach dem
Rechte ihrer bisherigen Heimat zustehtto).
Da die Entlassung aus dem bisherigen Staagtsverbande keine
Voraussetzung der Naturalisation ist, so ist eine doppelte Staats-
angehörigkeit an sich möglich. Jedoch ist durch Staatsverträge mit
verschiedenen Staaten das Abkommen getroffen, daß Angehörigen der
betreffenden Staaten die Naturalisation nur nach Entlassung aus ihrer
bisherigen Staatsangehörigkeit erteilt werden sollu#).
16) Die Frage gehört zu den bestrittensten. Gegen die Fähigkeit
der Ehefrauen Seydel, Ann. und Bayer. St.--N., Bd. 1, S. 528; da-
für Landgraff, Ann. 1876, S. 1029; G. Meyer, St.-R., § 76. Aus-
den Fällen, in denen nach dem Gesetze die Ehefrau die Staatsange-
hörigkeit des Mannes teilt, läßt sich ein allgemeiner Grundsatz, daß sie
diese unter allen Umständen teilen müsse, nicht herleiten. Denn das
Gesetz selbst kennt Fälle, in denen die Ehegatten verschiedener Staats-
angehörigkeit sind. Vgl. 8 11, 19, 21 Abs. 2. In der Regel wird die
Ehefrau als verfügungsfähig, also zum Erwerbe der Staatsangehörigkeit
berechtigt zu betrachten sein. Daß die einer verfügungsunfähigen Person
erteilte Verleihung gleichwohl rechtsbeständig ist, ergibt sich aus dem
Charakter der Verleihung als eines einseitigen Staatsaktes. Hiernach war
vom deutschen Standpunkte auch in der bekannten Sache Beauffremont-
Bibesco zu entscheiden. Vgl. darüber Stölzel, Wiederverheiratung
eines beständig von Tisch und Bett getrennten Ehegatten, Berlin 1876.
17) Dies ist der Fall bei Angehörigen der im Reichsrate ver-
tretenen Länder der österreichisch-ungarischen Monarchie (Bundesrats-
protokoll vom 14. Juni 1877 8 323, M.-R. vom 7. Juli 1877 und
8. Oktober 1880), für persische Untertanen nach Art. 17 des Vertrages
vom 11. Juni 1873 (R.-G.-Bl. 1873, S. 351) und türkische Untertanen
(M.--R. vom 30. Juli 1884). Dasselbe gilt für Marokkaner, ebenso für
Russen, doch kann bei letzteren mit Genehmigung des Ministers des
Innern eine Ausnahme gemacht werden. — M. E. vom 16. Juli 1890.
M.-Bl. d. inn. Verw. 1890, S. 200. Vgl. v. Brauchitsch, Ver-
waltungsgesetze Bd. 4 zu § 8 des Gesetzes.
Bornbakh, Drcußlsches Staatsrecht. I. 2. Kull. 18