278 Das Verfassungsrecht. 6 45
Gegenstand der Entlassung ist die rechtliche Lösung des Ver-
hältnisses des Untertanen zur Staatsgewalt. Es wird daher voraus-
gesetzt, daß die rechtliche Form auch in den Tatsachen ihren ent-
sprechenden Inhalt findet. Der zu ECntlassende kann nun seine
Entlassung gefordert haben entweder, um sein Verhältuis zu Deutsch-
land überhaupt oder um das zu seinem Heimatsstaate zu lösen. Im
ersteren Falle hat das Untertanenverhältnis rechtlich aufgehört durch
die Entlassung, tatsächlich wird jede Beziehung zu Reich und Heimats-
staat aufgehoben durch Verlegung des Wohnsitzes außerhalb des Bundes-
gebietes. Ob der Entlassene demnächst eine andere Staatsangehörig-
keit erwirbt oder heimatlos bleibt, kann der inländischen Staats-
gewalt gleichgültig sein, da sie zu dem Entlassenen, wenn er das
Bundesgebiet verlassen hat, in keiner rechtlichen Beziehung mehr steht.
Verbleibt dagegen der Entlassene in dem Bundesgebiete, so muß er
wenigstens eine andere Staatsangehörigkeit erwerben, da er mit der
früheren Staatsangehörigkeit auch die Reichsangehörigkeit verloren hat
und ohne den Erwerb einer neuen Staatsangehörigkeit ein heimat-
loser Fremdling sein würde. Erfolgt weder die Verlegung des Wohn-
sitzes außerhalb des Bundesgebietes noch der Erwerb einer nenen
deutschen Staatsangehörigkeit, so war die Entlassung nur ein Schein-
alt, dem die Tatsachen nicht entsprechen. Die Entlassung wird daher
unwirksam, wenn der Entlassene nicht binnen sechs Monaten vom
Tage der Aushändigung der Entlassungsurkunde an seinen Wohnsitz
außerhalb des Bundesgebietes verlegt oder die Staatsangehörigkeit in
einem anderen Bundesstaate erwirbt (8 18, Abs. 2). Die Unwirk-
samkeit tritt also unmittelbar kraft des Gesetzes unter den gegebenen
Voraussetzungen ein, es bedarf keiner besonderen Unwirksamkeits-
erklärungt).
Die Entlassung war aber bereits mit Aushändigung der Ent-
lassungsurkunde voll in Wirksamkeit getreten, es bedurfte nicht erst
der Betätigung der Lösung des Untertanenverhältnisses durch Ver-
legung des Wohnsitzes aus dem Bundesgebiete oder den Erwerb einer
anderen Staatsangehörigkeit. Die an die Staatsangehörigkeit ge-
knüpften Pflichten brauchten also schon von der Aushändigung der
1) So auch v. Rönne-Zorn, Pr. St.-R., Bd. 1, S. 625 N. 2;
Laband, Staatsrecht des Deutschen Reiches, Bd. 1, S. 160, N. bi
v. Brauchitsch, Verwaltungsgesetze, Bd. 4, zu § 18 des Gecl.