282 Das Verfassungsrecht. 8 46
tritte binnen der darin bestimmten Frist keine Folge leistet (§ 22).
Dagegen verbleibt einem Deutschen, der mit Erlaubnis seiner Regierung
bei einer fremden Macht dient, seine Staatsangehörigkeit (8 23).
Unter fremdem Staatsdienste ist nie der in einem deutschen Bundes-
staate, sondern nur der Dienst in einem außerdeutschen Staate zu
verstehen.
In den beiden hier genannten Fällen, in denen die Entziehung
der Reichs= und Staatsangehörigkeit durch einen Akt der Staats-
gewalt ohne den Willen des Betroffenen eintritt, handelt es sich um
eine Entziehung zur Strafe wegen Zuwiderhandlung gegen die Unter-
tanenpflichten. Ob der Verlust sich auch auf die Ehefrau und die
minderjährigen Kinder erstreckt, ist in dem Gesetze nicht gesagt. Es
ist dies jedoch zu verneinen wegen des Strascharakters der staat-
lichen Verfügung. Die Ansicht, welche annimmt, daß die Ehefrau
unter allen Umständen die Staatsangehörigkeit ihres Mannes teilt,
muß freilich wenigstens ihr ebenfalls die Staatsangehörigkeit ab-
sprechen, „nicht zur Strafe, sondern weil sie Gattin ist“?).
III. Außer der Entziehung von Rechts wegen aus familienrecht-
lichen Gründen und derjenigen durch einen Staatsakt kennt das
Gesetz noch eine dritte Art des Verlustes, den von Rechts wegen durch
Zeitablausto).
Deutsche, welche das Bundesgebiet verlassen und sich zehn Jahre
lang ununterbrochen im Auslande aufhalten, verlieren dadurch ihre
Staatsangehörigkeit. Die vorbezeichnete Frist wird von dem Zeit-
punkte des Austritts aus dem Bundesgebiete oder, wenn der Aus-
tretende sich im Besitze eines Reisepapieres oder Heimatsscheinest##)
befindet, von dem Zeitpunkte des Ablaufs dieser Papiere an gerechnet.
Sie wird unterbrochen durch die Eintragung in die Matrikel eines
Reichskonsulates. Ihr Lauf beginnt von neuem mit dem auf die
Löschung in der Matrikel folgenden Tage (§ 21, Abs. 1). Ob der
Aufenthalt im Auslande ein ununterbrochener gewesen ist, erscheint als
") So Seydel, Bayer. St.-R., Bd. 1, S. 548.
10) Bahrfeldt, Der Verlust der Staatsangehörigkeit durch Na-
turalisation und durch Aufenthalt im Auslande, (aus Brie und
Fleischmann, Abhandlungen, Heft 6) Breslau 1903.
11) Für die auf längstens fünf Jahre auszustellenden Heimats-
scheine besteht ein Formular nach dem Bundesratsbeschlusse vom 20. Ja-
nuar 1881. Vgl. Centralblatt des Deutschen Reiches 1881, S. 22.