Full text: Preußisches Staatsrecht. Erster Band. (1)

§ 45 Verlust der Reichs-- und Staatsangehörigkeit. 283 
rein tatsächliche Frage, jedenfalls unterbrechen bloße Reisen nach 
Deutschland die zehnjährige Frist nichtts). 
Der Gesetzgeber knüpft den Verlust lediglich an die Tatsache 
des zehnjährigen Aufenthalts in der Fremde, ohne daß ein neuer 
Wohnsitz begründet wird. Während nun die Begründung eines 
Wohnsitzes als Rechtshandlung die Willens= und Handlungsfähigkeit 
des Begründenden erfordert, kommt es bei dem bloßen Aufenthalte 
auf diesen Umstand nicht an. Hieraus ergibt sich, daß die Reichzs- 
und Staatsangehörigkeit auch für Handlungsunfähige in der ange- 
gebenen Weise verloren geht, ohne daß man nötig hätte, das Rechts- 
institut als Verjährung durch Nichtgebrauch zu charakterisieren und 
hieraus weitere Folgerungen zu ziehen). Die entgegengesetzte An- 
sicht#e), der sich im Anschlusse an die frühere preußische Praxis 
neuerdings das Reichsamt des Innern und die Ministerien von Bayern 
und Württemberg zugeneigt haben# ), daß der Verlust auf der Ver- 
mutung beruhe, der Betreffende wolle seine Staatsangehörigkeit auf- 
geben, und daß deshalb dessen Handlungsfähigkeit erforderlich sei, 
steht mit der gesetzlichen Bestimmung im Widerspruche und läßt sich 
nicht ohne weiteres in sie hineinlegen:). Nicht zum Verluste, 
sondern zu dessen Abwendung durch positives Handeln ist die 
Handlungsfähigkeit erforderlich. 
Der hiernach eingetretene Verlust der Staatsangehörigkeit erstreckt 
sich zugleich auf die Ehefrau und die Kinder, deren gesetzliche Ver- 
12) So auch Seydel, Bayer. St.-R., Bd. 1, S. 554, N. 7; La- 
band, St.-R des Deutschen Reiches, Bd. 1, S. 162, N. 4. Ebenso Entsch. 
des O. V. G. vom 25. Juni 1901, Bd. 40, S. 417, entgegengesetzt Entsch. 
des Reichsgerichts in Strafsachen vom 21. November 1904, Bd. 37, S. 308. 
13) Ebenso Laband, Bd. 1, S. 163, N. 2; G. Meyer, St.-R., 
8 77; Seydel, Bayer. St.-R., Bd. 1, S. 549; Entsch. des O. V. G. 
vom 22. Mai 1900, Bd. 38, S. 393; Entsch. des Reichsgerichts in Strass. 
vom 28. Nov. 1895, Bd. 28, S. 24. 
14) Landgraff in Hirths Ann. 1870, S. 646; v. Rönne- 
Zorn, Pr. St.-R., Bd. 1, S. 629, N. 1. 
15) Vgl. die Erlasse bei Reger a. a. O. Bd. 3, S. 71, Bd. 4, 
S. 92. 
16) Vgl. die ausführliche Widerlegung dieser sich vorzugsweise auf 
die frühere preußische Praxis, die der Gesetzgeber angeblich nicht ändern 
wollte, stützenden Theorie bei Seydel, Bayer. St.-R., Vd. 1, 
S. 549, N. 1.
	        
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