Full text: Preußisches Staatsrecht. Erster Band. (1)

288 Das Verfassungsrecht. 8 46 
das Reich und dem durch die Einzelstaaten besteht nur darin, daß 
das Reich eine verfassungsmäßige Verpflichtung, die Einzelstaaten wohl 
ein Recht, aber keine Pflicht zur Gewährung des Schutzes haben. 
2. Nach Art. 3, Abs. 1 der Reichsverfassung hat das gemeinsame 
Indigenat die Wirkung, daß der Angchörige eines jeden Bundes- 
staates in jedem anderen Bundesstaate als Junländer zu behandeln 
und demgemäß zum festen Wohnsitze, zum Gewerbebetriebe, zu öffenl- 
lichen Aemtern, zur Erwerbung von Grundstücken, zur Erlangung des 
Staatsbürgerrechtes und zum Genusse aller sonstigen bürgerlichen 
Rechte unter denselben Voraussetzungen wie der Einheimische zuzulassen, 
auch in betreff der Rechtsverfolgung und des Rechtsschutzes ihm 
gleich zu behandeln ist. In diesem Satze liegen zwei Rechtsgrund- 
sätze ausgesprochen. 
Der eine war bereits anerkanntermaßen geltendes Recht in allen 
deutschen Staaten. Er besagt, daß der Staatsangehörige ein Recht 
auf Wohnsitz und Erwerb des Lebensunterhaltes unter den gesetzlichen 
Voraussetzungen genießt. Daß es sich auch hier nur um einen aus 
der augenblicklichen Rechtsordnung folgenden Vorzug, nicht um ein 
subjektives Recht der Staatsangehörigen handeln kann, ergibt sich 
daraus, daß die Gesetzgebung jederzeit in der Lage ist, das Recht auf 
den Wohnsitz zu entziehen. Die Gesetzgebung des Staates, welche 
seinen Organen unter gewissen Umständen die Besugnis zur Aus- 
weisung seines Angehörigen gewähren sollte, würde allerdings in 
Widerspruch geraten mit den Grundsätzen des Völkerrechtes, da nach 
diesen jeder Staat zur Aufnahme seiner aus anderen Staaten aus- 
gewiesenen hilfsbedürftigen Untertanen verpflichtet ist. Aber selbst 
das alle einzelnen Staaten verbindende Völkerrecht ist nicht imstande, 
dem einzelnen Staatsangehörigen ein subjektives Recht auf Wohnsitz 
Königreichs Bayern zur Verfassung des Deutschen Bundes 
(R.-G.-Bl. 1871, S. 23). Fall v. Hellfeld gegen russischen Fiskus, 
wo das preußische Ministerium der auswärtigen Angelegenheiten den 
Kompetenzkonflikt gegen die gerichtliche Eutscheidung erhob mit der 
Begründung, daß es seine Sache sei, dem Hauptmann a. D. v. Hell- 
feld auf diplomatischem Wege zu seinem Rechte zu verhelsen. Vgl. 
Bornhal im Jahrbuche des össentlichen Rechts (1911), dort auch das 
Urteil des Kompetenzgerichtshofs vom 25. Juni 1910. Das ganze Mate- 
rial des Falles mit allen Gutachten bei v. Dynovsky. unzulässigkeit 
der Zwangsvollstreckung gegen ausländische Staaten (als Mannskript 
gedruckt). Berlin 1910.
	        
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