Full text: Preußisches Staatsrecht. Erster Band. (1)

8 46 Die Rechte der Staatsangehörigen. 289 
in dem Gebiete seines Staates zu gewähren. Der Staat kann den 
Wohnsitz im Inlande und die Befugnis zum Aufenthalte in ihm 
jederzeit entziehen, indem er die Staatsangehörigkeit nimmt, ohne 
daß er dadurch mit anderen Staaten in Zwiespalt gerietet“). 
Neben diesem Rechtsgrundsatze, daß jeder Staatsangehörige in 
seinem Heimatsstaate vor Fremden den Vorzug auf Wohnsitz und Er- 
werb des Lebensunterhaltes unter staatlichem Schutze hat, stellt die 
Reichsverfassung einen zweiten, wonach der Angehörige eines jeden 
Bundesstaates in jedem anderen Bundesstaate als Inländer zu behan- 
deln ist. Dieser Grundsatz der völligen Rechtsgleichheit aller Deutschen 
ist durch die Reichsverfassung erst zur Anerkennung gelangto). 
Aus beiden Obersätzen zieht demnächst die Reichsverfassung den 
Schluß, daß der Angehörige eines jeden Bundesstaates in jedem 
anderen Bundesstaate wohnen und in ihm seinen Lebensunterhalt 
gleich dem Inländer erwerben darf. 
Mit dem Schutze im Auslande und dem Wohnsitze wie dem Er- 
werbe des Lebensunterhaltes im Inlande erschöpfen sich die rechtlichen 
Folgen der Staatsangehörigkeit als solcher für die Staatsangehörigen. 
Man erklärt nun allerdings noch allgemein die sogenannten politischen 
Rechte der Staatsangehörigen für einen Ausfluß der Staatsangehörig- 
keit und hält diese für so wesentlich, daß man gerade mit Rücksicht 
hierauf den Ausdruck „Untertan“ durch „Staatsbürger“ ersetzen zu 
müssen glaubtes). Tatsächlich sind jedoch die sogenannten politischen 
Rechte, wie das aktive und passive Wahlrecht für Reichs= und Landes- 
  
4) Das Reichsgesetz vom 4. Mai 1874 betreffeund die Verhinderung 
der unbefugten Ausübung von Kirchenämtern (R.-G.-Bl. 1874, S. 43), 
welches die Ausweisung gewisser den Staatsgesetzen zuwiderhandelnden 
Geistlichen aus dem Bundesgebiete anordnen wollte, mußte deshalb, um 
die durchgreifende Wirkung der Ausweisung zu sichern, den betreffen- 
den Geistlichen gleichzeitig mit der Ausweisung die Reichs- und Staats- 
angehörigkeit entziehen. Das Ges. vom 6. Mai 1890 (R.-G.-Bl. 1890, 
S. 65) hat jedoch den Entziehungsgrund überhaupt ausgehoben. 
5) Die deutsche Bundesakte, Art. 18, hatte sich auf einige Zu- 
sicherungen beschränkt, betrefsend den Erwerb von Grundeigentum im 
fremden Staate, die Besugnis des freien Wegziehens in andere Bundes- 
staaten, Eintritt in deren Zivil- und Militärdienste und Freiheit von 
Nachsteuer. 
6) Vgl. z. B. v. Rönne= Zorn, Pr. St.-R., Vd. 1, S. 508 ff. und 
die dort angeführten Schriftsteller; H. Schulze, Pr. St.-R., Bd. 1, 
S. 345; Lab and, Staatsrecht des Deutschen Reiches, Bd. 1, S. 139 ff. 
Bornbak, Dreußisches Staatsrecht. I. 2. Rull. 19
	        
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