290 Das Verfassungsrecht. 8 46
vertretung, die Teilnahme an der Gerichtsbarkeit und der Verwaltung,
ganz davon zu schweigen, daß es keine subjektiven Rechte sein können,
nicht einmal rechtliche Folgen der Staatsangehörigkeit. Da diese Vor—
züge die volle Hingabe an den Staat voraussetzen, kann er sie aller—
dings nur seinen eigenen Angehörigen gewähren. Keiner von ihnen
steht aber allen Staatsangehörigen zu, selbst das allgemeine Wahl-
recht zum Reichstage ist auf einen bestimmten Kreis männlicher
Personen beschränkt. Für alle politischen Rechte werden außer der
Reichs= und Staatsangehörigkeit noch eine Reihe anderer Erfordernisse
aufgestellt. Die Staatsangehörigkeit ist daher nur eine von mehreren
Voraussetzungen für den Besitz der sogenannten politischen Rechte.
Sie können deshalb nicht als ein der Staatsangehörigkeit inne-
wohnendes Recht angesehen werden.
Man kann aber auch nicht die zur Ausübung der politischen
Rechte befugten Untertanen als besondere Art der Staatsangehörigen
ausscheiden und jene als Vollbürger im Gegensatze zu den übrigen
Staatsangehörigen, den Passivbürgern, bezeichnen!). Will man
Gattung und Art gegenüberstellen, so muß man für die Art außer
den Merkmalen, an denen die Gattung kenntlich ist, noch besondere
Kennzeichen angeben. Diese sind aber für den Besitz jedes einzelnen
politischen Rechtes verschieden. Es ist möglich, daß jemand zur Wahl
für Reichs= und Landesvertretung berechtigt ist, nicht dagegen zur
Teilnahme an der Gerichtsbarkeit als Schöffe oder Geschworener, nicht
zur Teilnahme an der Selbstverwaltung durch Wahl zu den kommunalen
Vertretungen oder zum persönlichen Dienste. Auch der umgekehrte Fall
kann vorkommen, wenn er auch seltener sein dürfte. Für jedes poli-
lische Recht sind die Erfordernisse verschieden. Damit fällt der Begriff
eines besonderen Aktivbürgerrechtes überhaupt, wic ein solcher auch
bisher in keinem Gesetze aufgestellt worden ist. Auch der Versuch,
ein einzelnes politisches Necht, z. B. das Wahlrecht zur Volksver-
tretung, als das wichtigste herauszugreifen und die dazu berechtigten
als Aktivbürger zu bezeichnen, erscheint verfehlt, da man niemanden,
der die wichtigsten Aemter der Selbstverwaltung belkleidet, aber zu-
fällig das Wahlrecht zum Landtage nicht besitzt, weil er einem anderen
deutschen Staate angehört, als bloßen Passiovbürger ansehen kanns).
7) So z. B. H. Schulze, Pr. St.-R., Bd. 1, S. 345.
8) H. Schulze a. a. O. S. 346 weist in dieser Beziehung auf
Nordamerika hin, wo jeder Aktiobürger schlechtweg „elector“ heiße. Dieser