Dorwork.
„Volksrecht, nicht Juristenrecht!“ — das muß der
leitende Grundsatz für die Rechtsentwicklung der Zukunft sein. Das
Recht soll dem Volke nicht als fremdartige Erscheinung entgegen-
treten, die nur Juristen verstehen und erklären können, sondern als
Rechtsüberzeugung in der Brust jedes Volksgenossen wirken. Und
der Jurist hat nicht als Mitglied einer besonderen Kaste der Nation
ein dieser fremdartiges Recht vorzutragen, dessen Ergebnisse im ein-
zelnen Falle Zweifel und Kopfschütteln erregen, sondern nur das
im Volke lebende Recht zu weisen. Mit Erreichung dieses Ideals
werden wir ein wahrhaft volkstümliches Recht haben.
Die Juristen allein können das aber nicht machen. Alle Kreise
des Volkes müssen an ihrem Teile dazu mitwirken. Die erste Vor-
aussetzung dazu ist es, daß sie sich selbst die notwendige Rechts-
kenntnis verschaffen. Für jeden, der die Zeichen der Zeit zu deuten
vermag, ist dieses Streben klar erkennbar. Ueberall regt sich der
Wunsch nach Rechtskenntnis. Architekten und Ingenieure, Land-
wirte und Offiziere hören auf ihren höchsten Bildungsstätten bereits
mit Eifer und Erfolg juristische Vorträge, Studierende aller Fakul-
täten drängen sich zu Vorlesungen, die die Grundlagen allgemeiner
Rechtskunde vermitteln, Lehrer und Lehrerinnen der Fortbildungs-
schulen glauben ohne ein gewisses Maß von Rechtskenntnissen ihren
Aufgaben nicht mehr genügen zu können. Viele solcher Vorlesungen
habe ich zu verschiedenen Zeiten selbst gehalten, und dabei das all-
gemeine Trachten und seine Erfolge kennen gelernt. Und schon regt
sich für höhere und niedere Schulen das Verlangen nach Rechts- und
Bürgerkunde. Die Lehrer des Rechts dürfen dem Zuge der Zeit
sich nicht verschließen.