22 Grundzüge der Verfassungsgeschichte. § 4
Söhne begründet werden, die wesentlichen Rechte der Landeshoheit
in den betreffenden Gebieten dem ältesten Sohne als Kurfürsten ver-
bleiben. Gleichwohl ist das Testament nicht zur Ausführung gelangt,
und die jüngeren Söhne wurden anderweit namentlich durch einen
größeren Güterkomplex, die Herrschaft Schwedt, abgefunden:).
Friedrich III. erweiterte zunächst das Staatsgebiet mit der Erb-
vogtei über Stadt und Stift Quedlinburg, der Reichsvogtei über Nord-
hausen (1697) und dem Amte Petersberg (1698) bei Halle durch
Kauf von Kursachsen, der Grasschaft Tecklenburg (1707) durch Kauf
von dem Grafen zu Solms-Braunfels und der Grasschaften Mörs
und Lingen (1702), sowie des souveränen Fürstentums Neuenburg
(1707) aus der oranischen Erbschaft. Neuenburg blieb jedoch stets
nur in dem Verhältnisse der reinen Personalunion zu Preußen.
Mit den fürstlichen Häusern Hohenzollern in Schwaben wurde
am 26. November 1695 ein Pactum pentiliciim et zuccessorium
abgeschlossen und am 30. Jannar 1707 beslätigt, welches dem Kur-
hause das Erbrecht in den schwäbischen Gebieten sicherte, aber auch
noch andere hausgesetzliche Bestimmungen enthielto).
Unter Friedrich III./I. geschahen auch die ersten Schritte zur
Realunion der einzelnen Gebiete auf dem Gebiete der Justiz. Wenn
hier eine völlige Einheit nicht erreicht werden konnte, so lag dies an
der verschiedenen Stellung der einzelnen Landschaften zu der Gerichts-
barkeit des Reiches. Preußen war vollständig sonverän, also den
Reichsgerichten in keiner Hinsicht unterworfen. Die Kur= und Neu-
mark besaß ein unbedingtes Privilegium ce non appellando, es fand
also von den Entscheidungen der märkischen Gerichte kein ordentliches
Rechtsmittel bei den Reichsgerichten statt, wohl aber blieben letztere
auch für diese Gebiete zuständig im Falle der Justizverweigerung
und der sogenannten unheilbaren Nullitäten. Alle übrigen Gebiete
endlich waren der höchsten Gerichtsbarkeit des Reiches unterstellt.
Aus diesen Gründen war die Vereinigung aller Gebiete unter einem
einzigen obersten Gerichtshofe unmöglich. Während daher Preußen
und Brandenburg ihre besonderen obersten Gerichte behielten, wurde
1703 für die übrigen Gebiete, nachdem der Kaiser ein beschränktes
2) Vgl. Droysen, Das Testament des Großen Kurfürsten in
den Abhandlungen der königlich sächsischen Gesellschaft der Wissenschaf-
ten zu Leipzig, 1866.
5) H. Schulze, Hausgesetze, VBd. 3, S. 723 ff.