Full text: Preußisches Staatsrecht. Erster Band. (1)

8 48 Ständische Rechtsordnung. 299 
In Deutschland hatte sich schon seit dem früheren Mittelalter eine 
seste ständische Ordnung mit mannigfachen Abhängigkeitsverhältnissen 
entwickelt, die sich jedoch im allgemeinen sämtlich auf die verschiedenen 
Besitzarten der Grundeigentümer und die Abhängigkeit der kleineren 
von den größeren Besitzern zurückführen lassen. Die ständische Ord- 
nung des Mittelalters ist aber für das heutige Recht im ganzen 
bedeutungslos. Für das positive preußische Staatsrecht kommt nur 
diejenige ständische Rechtsordnung in einzelnen Beziehungen in Be- 
tracht, welche sich am Schlusse des Mittelalters unter dem überwiegen- 
den Einflusse der Landstände auf die Rechtsbildung der einzelnen 
Gebiete entwickelt und ihren letzten gesetzlichen Ausdruck im Allgemeinen 
Landrechte gefunden hat. 
Das A. L.-R. unterscheidet vier Stände, von denen drei Geburts- 
stände sind, den Bauernstand, Bürgerstand, Adel und die Beamten 
einschließlich der Geistlichen. Zum Bauernstande gehören alle Bewohner 
des platten Landes, welche sich mit dem unmittelbaren Betriebe des 
Ackerbaues und der Landwirtschaft beschäftigen, sofern sie nicht durch 
adlige Geburt, Amt oder besondere Rechte von diesem Stande aus- 
genommen sinds). Den Bürgerstand, von Hause aus die städtische 
Bevölkerung umfassend, vermag das A. L.-R. nur negativ zu be- 
stimmen. Es gehören dazu alle Einwohner des Staates, welche ihrer 
Geburt nach weder zum Adel noch zum Bauernstande gerechnet werden 
können und auch nachher keinem dieser Stände einverleibt sind. Im 
eigentlichen Verstande soll aber nur derjenige Bürger genannt werden, 
welcher in einer Stadt seinen Wohnsitz aufgeschlagen und daselbst das 
Bürgerrecht gewonnen hatt). Zum Adel werden nur diejenigen ge- 
rechnet, denen der Geschlechtsadel durch Geburt oder landesherrliche 
Verleihung zukommt5). Der Beamtenstand als ein bloßer Berufsstand 
im heutigen Sinne, als Gesellschaftsklasse, wird dagegen vom A. L.-R. 
nicht besonders definierte). Die drei ersten Stände sind dagegen fest 
der Religion gesondert ist. Die Kaste bildet also nicht eine dritte, 
über Klasse und Stand hinausgehende, sondern nur eine auf eigentüm- 
lichen Rechtszuständen beruhende Parallelentwicklung zum Stande. 
s3) 9 1 U, 7 A. L.-R. 
4) 8 1 ff. II, 8 A. L.-R. 
5) 8 2 II, 9 A. L.-R. 
s) Die Begriffsbestimmungen schließen sich aufs engste an das 
damals geltende Recht an, sie sind zum Teil wörtlich entlehnt aus
	        
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