Full text: Preußisches Staatsrecht. Erster Band. (1)

8 48 Ständische Rechtsordnung. 305 
Diese ständische Rechtsordnung, deren charakteristisches Merkmal 
in der Gebundenheit des einzelnen an den Stand, in dem er geboren 
ist, besteht, wurde vollständig mit einem Schlage beseitigt durch das 
Edikt vom 9. Oktober 1807, den erleichterten Besitz und den freien 
Gebrauch des Grundeigentums sowie die persönlichen Verhältnisse 
der Landbewohner betreffend. Die grundlegenden Bestimmungen ent- 
halten die 88 1 und 2. Dadurch wird jeder Einwohner ohne alle 
Einschränkung in Beziehung auf den Staat zum eigentümlichen und 
Pfandbesitze unbeweglicher Grundstücke aller Art berechtigt, der Edel- 
mann auch zum Besitze bürgerlicher und bäuerlicher, der Bürger und 
Bauer auch zum Besitze adliger Grundstücke, ohne daß in dem letzteren 
Falle noch eine Suspension gewisser gutsherrlichen Rechte einträte. 
Der Edelmann kann ferner ohne Nachteil für seinen Stand bürger- 
liche Gewerbe treiben, der Bürger Bauer werden und umgekehrt. 
Die gleichzeitige Aufhebung der Erbuntertänigkeit beseitigt auch die 
noch vorhandene persönliche Unfreiheit des Bauernstandes. 
Damit ist die Auflösung jeder ständischen Ordnung ausgesprochen. 
Der Begriff des Bürger= und Bauernstandes besteht überhaupt nicht 
mehr. Der Adel bleibt nur bestehen als ein persönlicher Ehrenvor- 
zug der Mitglieder der betreffenden Familien und kann auch weiter- 
hin vom Könige verliehen werden. Dagegen gewährt der Adel keinerlei 
Vorrechte mehr. Dieser seit 1807 bestehende Rechtszustand wird aus- 
drücklich bestätigt in der Verfassungsurkunde. Nach Art. 4 sind alle 
Preußen vor dem Gesetze gleich, und finden keine Standesvorrechte 
mehr statt. Dagegen hat die Verfassungsurkunde die in dem Ent- 
wurfe der Nationalversammlung enthaltenen Bestimmungen: „Der 
Adel ist abgeschafft, der Gebrauch adliger Titel und Prädikate ist in 
öffentlichen Urkunden untersagt“/12) nicht ausgenommen und damit 
den Fortbestand des Adels anerkannt. Nach Art. 50 steht auch weiter- 
hin dem Könige die Verleihung von Orden und anderen mit Vor- 
rechten nicht verbundenen Auszeichnungen, also auch des Adels, zu. 
Dagegen wurden neue Standesvorrechte im juristischen Sinne 
begründet durch die infolge der Auflösung des Deutschen Reiches im 
Jahre 1806 hervorgerufenen Umwälzungen und besonders durch die 
Unterwerfung ehemals reichsunmittelbarer Familien unter die preußische 
Staatsgewalt im Jahre 1815. 
12) Sten. Ber. der Nat.-Vers. Bd. 3, S. 1873 ff. 
Bornbahb, Dreußisches Staatsrecht, I. 2. AKufl. 20
	        
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