Full text: Preußisches Staatsrecht. Erster Band. (1)

306 Das Verfassungsrecht. 8 418 
Belanntlich galten im alten Deutschen Reiche nicht nur die 
Landesherren selbst, sondern auch deren sämtliche Familienmitglieder 
als reichsunmittelbar, waren also nicht Untertanen der Landes- 
herren. Wenn dieser Grundsatz auch für Preußen, zu dem voll- 
ständig sonveräne Gebiete gehörten, bestritten wartsa), so konnte 
doch der entgegengesetzte Rechtssatz, daß alle Mitglieder des Königs- 
hauses Untertanen des Königs seien, zu unbedingter Anerkennung 
erst gelangen mit der Auflösung des Reiches. Um ihres verwandl- 
schaftlichen Verhältnisses zum Souverän und des ihnen allen zu- 
stehenden Thronfolgerechtes willen nehmen aber die Mitglieder des 
Königshauses eine besonders bevorrechtete Stellung ein, die auch unter 
der konstitutionellen Staatsform erhalten worden ist. 
Ferner war durch die RNheinbundsakte eine Reihe von bisher 
reichsunmittelbaren weltlichen Gebieten anderen deutschen Staaten ein- 
verleibt worden. Preußen gelangte in den Besitz solcher sogenannten 
standesherrlichen Gebiete erst im Jahre 1815 durch den Wiener 
Kongreß. Um die ehemals reichsunmittelbaren Familien für das 
ihnen geschehene Unrecht möglichst zu entschädigen, hatte schon die 
Rheinbundsakte, noch mehr die Deutsche Bundesakte ihnen zahlreiche 
Vorrechtle zugesichert, die in Preußen auch nach Erlaß der Verfassungs- 
urkunde anerkannt sind. 
In einem ähnlichen Verhältuisse wie die ehemals reichsunmillel- 
baren Familien besinden sich diejenigen, deren Häupter erst im Jahre 
1860 ihre Souveränetät eingebüßt haben. Doch bestehen hier keine 
allgemeinen Rechtsgrundsätze, abgesehen von denen, die sich aus einem 
allgemeinen europäischen Herkommen ergeben. 
Endlich ist dem fürstlichen Hause Hohenzollern, welches sein Land 
durch Vertrag vom 7. Dezember 1849 an Preußen abtrat, in diesem 
Vertrage und dem Gesetze vom 12. Märg 1850 eine Anzahl von 
Vorrechten eingeräumt worden, vermöge deren es eine Zwitterstellung 
einnimmt zwischen den sogenanuten Mediatisierten und den Mit- 
gliedern des königlichen Hauses. 
13) Charakterislisch ist in dieser Beziehung die Aeußerung König 
Friedrich Wilhelms l., der einen Einmischungsversuch des Kaisers in den 
gegen den Kronprinzen eingeleiteten Prozeß mit dem Bemerken zurück- 
wies, er werde den Kronprinzen in seinem Königreiche Preußen richten 
lassen, wo er sonveräner Herrscher sei.
	        
Waiting...

Note to user

Dear user,

In response to current developments in the web technology used by the Goobi viewer, the software no longer supports your browser.

Please use one of the following browsers to display this page correctly.

Thank you.