8 49 Der niedere Adel. 307
Es bestehen also gegenwärtig vier Klassen bevorzugter Staats-
angehöriger. Der niedere Adel gewährt keinerlei rechtliche Vorzüge,
sondern bildet nur noch eine erbliche Auszeichnung. Die anderen
Klassen, die Mitglieder der ehemals reichsunmittelbaren und der ehe-
mals souveränen Häuser, die des fürstlichen und die des königlichen
Hauses Hohenzollern genießen dagegen eine Reihe rechtlicher Vorzüge,
welche trotz des sonst geltenden Grundsatzes der Gleichberechtigung
aller Staatsangehörigen bestehen geblieben sind. Während der eine
bloße Ehrenauszeichnung gewährende niedere Adel nicht nur durch
Geburt, sondern auch durch königliche Verleihung erworben werden
kann, ist die Mitgliedschaft der drei bevorrechtigten Klassen nur zu
erlangen durch Geburt. Diese Klassen sind also derartig in sich ab-
geschlossen, daß nicht einmal durch einen Akt der Staatsgewalt eine
ihnen nicht durch Geburt angehörige Person in ihnen Aufnahme
finden kann.
8§ 49. Der niedere Adelt).
Die Quelle für das Recht des niederen Adels in Preußen bildet
auch jetzt noch das A. L.-R. II, 9. Aufgehoben sind nur diejenigen
Bestimmungen, welche dem Adel als solchen gewisse besondere Rechte
und Pflichten im Staate beilegten.
Das A. L.-R. gilt nun aber formell nur in einem Teile des
Staates. Daß die Bestimmungen des A. L.-R. über den Adel ver-
fassungsrechtlicher Natur seien und deshalb ohne weiteres für das
ganze Staatsgebiet Anspruch auf Gültigkeit haben, kann man nicht
unbedingt behaupten. Denn der Adel als solcher bildet keinen Faltor
des Staatswesens mehr. Persönliche Ehrenvorzüge ohne rechtliche Be-
dentung können aber unbeschadet des einheitlichen Charakters des
Staates in den einzelnen Landesteilen nach verschiedenen Grundsätzen
erworben und verloren werden. Nun hatte aber auf dem linken
Rheinufer die fremdherrliche Gesetzgebung, insbesondere die Dekrete
1) Vgl. Klüber 88 260 ff.; Zachariä 8 102; Zöpfl 8§ 324;
v. Rönne-Zorn, Pr. St.-R., Bd. 2, S. 70 ff.; v. Stengel, Pr.
St.-R., S. 70 ff.; G. A. Bielitz, Darstellung der Rechtsverhältnisse
des Adels in Preußen, Berlin 1840; außerdem die Hand-= und Lehr-
bücher des deutschen Privatrechtes. Ferner Mantey, Der deutsche
niedere Adel und das bürgerliche Gesetzbuch im Archiv für öffentl.
Recht Bd. 13 (1898), S. 20 ff.
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