8 49 Der niedere Adel. 315
Erlaß des B. G.-B. das Sonderrecht der rheinischen ritterbürtigen
Autonomen, wenn es überhaupt zu Recht bestanden hätte, nicht be-
einträchtigen, da es durch den Vorbehalt des Art. 58 Abs. 2 E.--G.
zum B. G.-B. gedeckt wäre.
Für die Bearbeitung der Standessachen einschließlich der Entschei-
dung über bestrittene Adelsprädikate ist durch A. Erlaß vom 16. Angust
185423) das dem Ministerium des kgl. Hauses unterstellte Herolds-
amt getreten?). Als Hofbehörde und keinem verantwortlichen Staats-
minister unterstellt ist es gleichwohl mit Bearbeitung staatlicher Ange-
gelegenheiten betraut. Soweit jedoch die Frage des Adels einen
Inzidentpunkt in einem schwebenden Zivil= oder Strafprozesse bildet,
kann die Entscheidung des Heroldsamtes nicht für das Gericht als
maßgebend betrachtet werden:5). Denn das Gericht hat auch über
er aber nach diesen Obersätzen die Autonomie des rheinisch-westfäli-
schen Adels als fortbestehend annehmen kann, ist unverständlich. Denn
eine über das gemeine Recht hinausgehende Testierfreiheit ist zweifellos
eine Bevorzugung, und diese Bevorzugung beruht auf nichts anderem
als auf der Geburt. Gleichwohl hat auch die Regierung die Auto-
nomie als fortbestehend angesehen. Vgl. Sten. Ber. des Abgeordneten-
hauses 1855—56, S. 607 bis 608. Die Frage ist jedoch nicht nur
staatsrechtlich, sondern auch privatrechtlich von Bedeutung, und zwar hier
sowohl für die Zeit vor wie nach Erlaß der Verfassungsurkunde.
Für die Zeit vor 1848 können die Kabinettsorders, obgleich sie mit
den Grundsätzen der Stein-Hardenbergschen Gesetzgebung im Widerspruche
standen, nicht zwar als rechtsungültig betrachtet werden, da dem Kö-
nige allein die Ausübung der Gesetzgebung zustand, wohl aber als un-
verbindlich wegen Nichtbeobachtung der vorgeschriebenen Verkündigungs-
sorm. Ueber die Unterscheidung von Rechtsgültigkeit und Rechtsver-
bindlichkeit der Gesetze nach preußischem Staatsrechte vgl. besonders § 82.
23) G.-S. 1854, S. 516.
24) Vgl. Kekule von Stradonis, Ueber die Zuständigkeit
des preußischen Heroldsamts im Archiv für öffentl. Recht Bd. 18 (1903),
S. 191 ff.; Grenzen der Zuständigkeit der Gerichte und des Heroldsamts
bei Entscheidung über das Recht zur Führung adliger Prädikate (mit-
geteilt aus dem Kgl. Heroldsamt) a. a. O. BVd. 22 (1907), S. 1 ff.;
und nochmals dasselbe a. a. O. Bd. 23 (1908), S. 1 ff.; Thiele, Die
Stellung des Heroldsamts zu den Gerichten a. a. O. Bd. 24 (1909),
S. 85 ff.: Strupp, Grenzen der Zuständigkeit des Kgl. preusischen
Heroldsamts a. a. O. Bd. 27 (1910), S. 76 ff.
25) Anderer Ansicht die ganz unhaltbare Entsch. d. R.-G. in Strass.
vom 19. November 1900, J.--M.-Bl. Vd. 1909, S. 388 ff. Anders das
Kammergericht, vgl. v. Kamptz und Delius, Rechtsprechung Bd. 1,
S. 498.