Full text: Preußisches Staatsrecht. Erster Band. (1)

8 60 Die Mediatisierten. Allgemeines. 321 
Das Abgeordnetenhaus focht jedoch die Rechtsgültigkeit der Rezesse 
an aus drei Gründen. Erstens wären sie formell hinfällig, da das 
Gesetz vom 10. Juni 1854 die Wiederherstellung der Rechte der 
Mediatisierten in Form einer königlichen Verordnung, nicht aber in 
der des Vertrages vorgesehen habe. Zweitens seien den Mediatisierten 
im Widerspruche mit der Bestimmung des Gesetzes vom 10. Juni 1854 
nicht nur in der Bundesakte enthaltene, sondern auch andere Rechte 
wiedergegeben und eine Reihe neuer Rechte eingeräumt. Endlich habe 
die Zusprechung von Geldentschädigungen nicht ohne Genehmigung des 
Landtages erfolgen dürfen. 
Eine gewisse Berechtigung hatte zunächst der Vorwurf, daß die 
Wiederherstellung der Rechte unzulässigerweise durch Vertrag erfolgt 
sei. Ein Vertrag ist nur möglich unter gleichberechtigten Faktoren. 
Der Staat kann daher einen Vertrag nur schließen entweder auf dem 
Boden des Privatrechtes, indem er als Fiskus sich anderen Privat- 
personen gleichstellt, oder auf dem Boden des Völkerrechtes mit anderen 
gleichberechtigten Staaten. Den eigenen Staatsangehörigen steht der 
Staat dagegen nie als gleichberechtigt, sondern immer nur als die 
befehlende übergeordnete Macht gegenüber. Es gibt daher keinen 
staatsrechtlichen Vertrag. Die Rezesse mit den Mediatisierten hatten 
nun, wie keiner weiteren Ausführung bedarf, keinen privatrechtlichen 
Inhalt. Sie waren aber auch nicht völkerrechtlicher Natur, da die 
Mediatisierten keine vertragsfähigen Subjekte des Völkerrechtes mehr 
waren). Folglich fehlte überhaupt jeder Rechtsboden, auf dem ein 
Vertrag hätte geschlossen werden können. Wenn die Regierung sich 
mit den Mediatisierten verständigte, ja förmliche Rezesse mit ihnen 
  
7) Unter Anerkennung der Tatsache, daß ein Vertrag nur privat- 
rechtlich oder völkerrechtlich sein kann, hält O. Mayer, Zur Lehre 
vom öffentlichrechtlichen Vertrage, im Archiv für öffentliches Recht, Bd. 3, 
S. 42, N. 59, gleichwohl die Verträge mit den Mediatisierten für wahre 
Verträge, da hier ein Koordinationsverhältnis hineinrage, indem die 
rechtliche Stellung der Mediatisierten vermöge der Garantie der deut- 
schen Bundesakte und der Wiener Kongreßakte eine völkerrechtliche ge- 
worden sei. Hierin liegt eine Verwechselung der Begriffe. Die Rechte 
der Mediatisierten waren völkerrechtlich, d. h. durch wechselseitigen Ver- 
trag der einzelnen deutschen Bundesstaaten untereinander, gesichert. Da- 
durch waren aber die Mediatisierten selbst nicht wieder zu vertragsfähigen 
Rechtssubjekten des Völkerrechtes geworden, was sie schon von dem geit- 
punkte ihrer Mediatisierung an nicht mehr waren. 
Bornhak, Dreußisches Staatsrecht. 1. 2. Aufl. 21
	        
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