Full text: Preußisches Staatsrecht. Erster Band. (1)

26 Grundzüge der Verfassungsgeschichte. 6 5 
bisherige städtische Selbständigkeit eingriffen und überall das verrottete 
Geschlechterregiment der im Besitze des Ratsstuhles befindlichen Fa- 
milien beseitigten. Die neuen Magistrate, in unbedingter Abhängig- 
keit von den Aufsichtsbehörden, dem gefürchteten Commissarius loci 
oder Steuerrat und der Provinzialkammer, waren kaum mehr als 
ausführende Organe, von irgend welcher kommunalen Selbständigkeit 
konnte nicht mehr die Rede sein. Auf dem flachen Lande ging der 
König nicht ganz so weit. Doch wurden die Bauern wenigstens vor 
jeder Willkür des Gutsherren durch die strengste staatliche Aussicht 
geschützt. Das Prügeln der Bauern durch die Gutsherren oder ihre 
Verwalter wurde in dem bekannten Prügelmandate von 1738 unter- 
sagt, allerdings mit einer charakteristischen Ausnahme für Ostpreußen, 
wo die Bauern zu faul und nichtsnutzig seien. Auch durch die voll- 
ständige Aushebung der Leibeigenschaft auf den pommerschen und 
preußischen Domänen gab der König seinem Adel ein hochherziges 
Beispiel, das freilich keine Nachahmung sand. In der Ortsverwaltung 
des flachen Landes und der Gutsuntertänigkeit blieb daher noch ein 
letztes Bollwerk des Ständetums erhalten. 
Der absolute Beamtenstaat hatte jetzt bei der Durchführung seiner 
Aufgaben kein wesentliches äußeres Hindernis mehr zu fürchten. Um 
so bedenklicher erschien es, daß das berufsmäßige Beamtentum schon 
seit Jahrzehnten sich in einem schweren inneren Zwiespalte befand, 
der sich stetig vergrößerte. Wir sahen, wie die Kommissariate den 
größten Teil der inneren Verwaltung allmählich an sich gerissen 
hatten. Hierbei waren sie in beständige Kompetenzkonflikte mit den 
Landesregierungen einerseits, die sich zum Teil mit den Landesgerichts- 
hösen deckten, und mit den Provinzialdomänenbehörden, den Amts- 
kammern, andererseits geraten. Diese Konflikte waren um so gefähr- 
licher, als in ihnen ganz verschiedene politische Richtungen des be- 
rufsmäßigen Beamtentums zum Ausdrucke gelangten. Gerichte und 
Amtskammern stammten aus der Zeit der Ständeherrschaft oder 
wenigstens aus der Zeit des ersten Uebergangs vom Ständetume zum 
absoluten Staate. Sie hingen daher zum großen Teile noch an den 
Anschauungen der früheren Zeit und slützten sich bei ihren Kon- 
flikten mit den Kommissariaten oft geradezu auf den ersterbenden 
ständischen Widerstand. Das Kommissariat dagegen, hervorgegangen 
aus den Militärintendanturen, war der entschiedenste Vertreter des 
neuen Militärstaates und der absoluten Monarchie. Das Verhältnis
	        
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