350 Das Verfassungsrecht. g 63
keine Ernennung der Verwaltungsbeamten nach Anhörung der
Standesherren. Sie räumt nur dem Herzoge von Arenberg in den
Kreisen Meppen, Aschendorf und Hümmling, dem Herzoge von Looz-
Corswaren im Kreise Lingen, dem Fürsten von Bentheim im Kreise
Bentheim, dem Grasen von Stolberg-Wernigerode und dem Grafen
von Stolberg-Stolberg im Kreise Ilfeld das Recht zur Teilnahme an
den Kreistagswahlen durch Stellvertreter ein (8 53).
In Hessen-Nassau bestanden schon im Jahre 1866 keinerlei
standesherrliche Regierungsrechte mehr. Die hessen-nassauische Kreis-
ordnung vom 7. Juni 1885f°5) gewährt daher in §54 den Mitgliedern
des nassauischen und hessischen Fürstenhauses sowie der fürstlichen und
gräflichen ehemals reichsunmittelbaren Familien lediglich die Stell-
vertretungsbefugnis für die Kreistagswahlen, und zwar allgemein ohne
Beschränkung auf bestimmte Kreise. In Hessen-Nassau ist also die
Vertretungsbefugnis ein persönliches Vorrecht der Mediatisierten.
Dagegen hat § 99 der westfälischen Kreisordnung vom 31. Juli
188610) außer der wie in Hessen-Nassau rein persönlichen Stell-
vertretungsbefugnis statt der den betreffenden Standesherren noch
zustehenden Regierungsrechte in denjenigen Amtsbezirken des Kreises
Wittgenstein, zu welchen standesherrliche Besitzungen der Fürsten
von Sayn-Wittgenstein-Hohenstein und von Sayn-Wittgenstein-Berle-
burg gehören, die Ernennung der Amtmänner nach Anhörung des
Fürsten von Sayn-Wittgenstein-Hohenstein bzw. des Fürsten von Sayn-
Wittgenstein-Berleburg vorgeschrieben, jedoch unbeschadet des sonst bei
Ernennung der Amtmänner zu beobachtenden Verfahrens. Eine
Berücksichtigung der übrigen westfälischen Standesherren war nicht
erforderlich, da diese entweder bereits früher auf sämtliche Regie-
rungsrechte gegen Entschädigung Verzicht geleistet oder seit dem
Jahre 1848 solche tatsächlich nicht mehr ausgeübt hattenun).
5) G.-S. 1885, S. 193.
10) G.-S. 1886, S. 217.
11) Zu der ersten Klasse gehören der Herzog von Arenberg wegen
Recklinghausen durch Uebereinkunft vom 29. November 1824, die dem
Herzoge nur Patronat und Bergregal vorbehielt; der Herzog von Croy
durch Vertrag vom 20. Februar 1827 mit Vorbehalt des Patronats-
rechtes; der Fürst zu Salm-Horstmar durch Vertrag vom 8. Februar
1829; der Fürst zu Salm-Salm durch Vertrag vom 16. November 1826
vorbehaltlich des Patronates, der Präsentation des Justizpersonals, der
Ernennung des Bürgermeisters und eines Polizeidieners der Stadt An-