354 Das Verfassungsrecht. 8 68
5. Die Standschaft. Art. 14 Nr. 2 der deutschen Bundes-
akte erklärte die Häupter der mediatisierten Häuser für die ersten
Standesherren in dem Staate, zu dem sie gehörten. Vorausgesetzt
war hierbei das ständische Verfassungssystem, wonach mit dem Besitze
gewisser Grundstücke die persönliche Landstandschaft verbunden war.
Unter der Zugehörigkeit mußte diejenige durch standesherrlichen Grund-
besitz verstanden werden. Dieser bundesrechtlichen Bestimmung ent-
sprechend hatle die ständische Gesetzgebung Preußens, wie sie jedem
Nittergutsbesitzer eines Kreises das Recht persönlicher Teilnahme an
den Kreistagen verlieh, so den Besitzern gewisser größeren Herrschaften,
unter anderen allen standesherrlich begüterten Personen das Rechtl
auf persönliche Teilnahme an den Provinzialständen ihrer Provinz
eingeräumttb). Als durch das Patent vom 3. Februar 1847 die Be-
rufung aller Provinzialstände zu einem Vereinigten Landtage in Berlin
angeordnet wurde, erhielten die Standesherren als Mitglieder der
Provinzialstände auch die Befugnis zur persönlichen Teilnahme an der
Landesvertretung auf Grund ihres standesherrlichen Besitzes. Und
zwar wurde aus den Besitzern der größeren Herrschaften die Herren-
kurie gebildet, deren Mitglieder lediglich auf Grund ihres eigenen
Besitzes an dem Vereinigten Landtage teilnahmen, während die Mit-
glieder der zweiten Kammer, der sogenannten Kurie der drei Stände,
von der Besitzklasse, der sie angehörten, gewählt waren.
Mit der Einführung der neuen Kreis= und Provinzialordnungen
ist die Befugnis der Standesherren als solcher auf Teilnahme an den
Provinziallandtagen beseitigt worden. Nur in der Provinz Posen,
wo die Verwaltungsreform noch nicht durchgeführt ist, erhält sich die
persönliche Standschaft der Besitzer einiger größeren Herrschaften vor-
läufig fort. Diese Herrschaften gehören aber nicht zu den Standes-
herrschaften im Sinne der Bundesakte, da Posen überhaupt keinen
Teil des alten Deutschen Reiches oder des Deutschen Bundes bildete.
Als letztes Vorrecht in der kommunalen Vertrelung der größeren Ver-
bände ist den Mediatisierten in den Provinzen Sachsen, Hannover,
Hessen-Nassau, Westfalen und der Rheinprovinz die bereits erwähnte
Befugnis verblieben, sich an den Wahlen der Kreistagsmitglieder durch
Stellvertreter zu beteiligen.
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16) Vgl. Bornhat, Prenßische Staats- und Rechtsgeschichte,
S. 392.