358 Das Versassungsrecht. 8 54
Anders ist es dagegen, wenn ein Standesherr in gesetzlich
zulässiger Weise sein Gebiet an einen Fremden veräußert. Die In-
struktion von 1820 unterscheidet hier die Veräußerung der Eigentums-
rechte und die der Slandesherrlichkeit. Die Eigentumsrechte, namentlich
Domänen und Privatgüter, können unter den gesetzlichen Voraus-
setzungen unbedingt veräußert werden. Wenn aber der Erwerber kein
ebenbürtiges Mitgliecd der Familie des Veräußerers ist, so erlöschen
die Befreiungen der Grundstücke von Sleuern und sonstigen Lasten.
Die Veränßerung der Standesherrlichkeit kann dagegen mit königlicher
Genehmigung auch an ebenbürtige Mitglieder einer anderen standes-
herrlichen Familie ersolgen. In diesem Falle behält sich der König
die nähere Bestimmung über die Wirkungen der Veräußerungen auf
die bloß durch die Verordnung vom 21. Juni 1815 begründeten
persönlichen Vorzüge des Veräußerers und seiner Familie vor. Da
die bloß durch die Verordnung vom 21. Juni 1815 begründelen Vor-
züge, d. h. solche, zu deren Erteilung die Bundesakte nicht nötigte,
gegenwärtig nach dem Gesetze vom 10. Juni 1854 unzulässig sind, so
ist letztere Bestimmung zweisellos hinfällig geworden. Aber auch die
Uebertragung der Standesherrlichleit an das Mitglied einer anderen
Familie ist gegenwärtig unmöglich. Auch hier trifst die Voraussetzung
für die Wiederherstellung der standesherrlichen Vorrechte, ihre Not-
wendigkeit nach der Bundesakte, nicht zu. Die standesherrlichen
Vorrechte, auch die, welche als von dem Besitze des standesherrlichen
Gebietes bedingt subjektiv dinglicher Natur sind, sind nicht einem
unbestimmten Personenkreise, sondern nur den Mitgliedern bestlimmter
Familien eingeräumt worden. Die dinglichen Vorrechte sind deshalb
nicht absolut dinglich, sondern in ihrem Bestande resolutiv bedingt durch
den Besitz eines Mitgliedes der bestimmten Familie. Sobald das
standesherrliche Gebiet an einen Fremden veräußert wird, erlöschen
die daran gebundenen subjektiv dinglichen standesherrlichen Vorrechte.2)
Dasselbe ist für die neuen Provinzen anzunehmen. Die Veräußerung
der Standesherrlichkeit als solcher an einen Fremden ist damit über-
haupt unmöglich geworden. In einer solchen Veräußerung würde
jedoch cin Verzicht des Berechtigten zu sehen sein und die in der
Standesherrlichkeit liegenden Vorrechte durch deren Veräußerung an-
2) So ist die standesherrliche Stellung des Herzogs von Looz-
Corswaren 1839 durch Uebergang des Besitzes an das Haus Lannoy-
Clervaux erloschen.