30 Grundzüge der Verfassungsgeschichte. 86
Politik? Allerdings ist es richtig, daß Friedrich der Große auf dem
Gebiete der inneren Politik nicht schöpferisch, sondern nur der Schüler
seines Vaters war, aber diese Tatsache spricht gerade dafür, daß er
die von jenem eingeschlagene Politik weiter hätte verfolgen sollen.
Auch die unstreitig vorhandene persönliche Vorliebe des Königs für
den Adel fällt nicht ins Gewicht. Abgesehen davon, daß Friedrich der
Große nie persönliche Neigungen zum bestimmenden Faktor seiner
Politik machte, hätte nie eine einzelne Persönlichkeit, selbst Friedrich
der Große nicht, vermocht, der inneren Politik Preußens eine andere
Richtung anzuweisen. Wenn die innere Politik eine andere, im all-
gemeinen beharrende wurde, so mußte eine Wendung in dem Faktor
des Staatslebens vorgegangen sein, der bisher diese Politik betrieben
hatte, dem berufsmäßigen Beamtentume. Und dies ist tatsächlich
der Fall.
In der Zeit des Kampfes gegen das Ständetum, welches vor-
wiegend aus dem grundbesitzenden Adel des Landes bestand, hatte
dad Beamtentum sich zum größten Teile aus Bürgerlichen zusammen-
gesetzt. Noch unter Friedrich Wilhelm I. waren die meisten Minister
und Verwaltungsbeamten Bürgerliche, selbst das Offizierkorps war stark
mit bürgerlichen Elementen durchsetzt. Schon Friedrich Wilhelm I.
hatte aber den Grundsatz verfolgt, den frondierenden Adel nicht auf
seinen Gütern hausen zu lassen, sondern ihn zu positiver Arbeit für
den Staat anzuhalten, wie z. B. die ostpreußischen Junker gewaltsam
für das Kadettenhaus gepreßt wurden. Trat aber der Adel in den
Staatsdienst, so wurde er natürlich mit offenen Armen aufgenommen
und vielsach bevorzugt, um ihn an das neue Staatswesen zu fesseln,
so daß schließlich die Zahl der grollenden Landjunker immer geringer
wurde. Ungefähr in der Zeit des Siebenjährigen Krieges ist diese
Entwicklung vollendet. Der Adel ist aufgegangen in der neuen herr-
schenden Klasse, dem Zivil und Militärbeamtentume, und sucht sich
nun in diesem Kreise sein Uebergewicht zu sichern. In dem Zivil-
beamtentume ist dieser Vorzug nur tatsächlicher Natur, geht aber
allerdings schon so weit, daß Friedrich der Große während seiner
ganzen Regierungszeit nur einen einzigen bürgerlichen Minister er-
nannt hat. Bei dem Offizierkorps kam die Anschauung des Königs,
daß der Adel für diese Stellen vorzüglich befähigt sei, hinzu, um die
bloß tatsächliche Bevorzugung zu einer rechtlich anerkannten wenigstens
für die meisten Truppenkorps zu machen. So entwickelt sich allmählich