Full text: Preußisches Staatsrecht. Erster Band. (1)

867 Das königliche Haus. 379 
vom 5. Juni 186912) noch die Landesherren, ihre Gemahlinnen und 
Witwen, nicht dagegen die anderen Mitglieder der landesherrlichen 
Familien. Ebenso besteht Befreiung von der Gemeindeeinkommen- 
steuer, nicht dagegen von Kreissteuern. 
b) Sie haben einen privilegierten Gerichtsstand. In streitigen 
Sachen ist er aufrecht erhalten worden durch 8 5 des Einführungs- 
gesetzes zum Gerichtsverfassungsgesetze, wo das Gerichtsverfassungsgesetz 
nur soweit für anwendbar erklärt wird, als nicht besondere Be- 
stimmungen der Hausverfassungen und Landesgesetze abweichende 
Bestimmungen enthalten. Auf Grund dieser reichsgesetzlichen Ermäch-- 
tigung hat das preußische Ausführungsgesetz zum Gerichtsverfassungs- 
gesetze vom 24. April 1878 den bisherigen privilegierten Gerichtsstand 
des Königs und der Mitglieder des königlichen Hauses vor dem mit 
dem Kammergerichte zu Berlin verbundenen Geh. Justizrate neu ge- 
regelt. Der Geh. Justizrat entscheidet in erster Instanz in der Be- 
setzung von fünf, in zweiter von sieben Mitgliedern, die dritte Instanz 
bildet das Reichsgericht. In Sachen der freiwilligen Gerichtsbarkeit 
genießen die Mitglieder des königlichen Hauses einen privilegierten 
Gerichtsstand vor dem königlichen Hausministerium. Dieses hat außer- 
dem bei Streitigkeiten der Mitglieder des königlichen Hauses unter- 
einander ein Austrägalverfahren vorzunehmen. 
c) Durch die Zivilprozeßordnung und die Strafprozeßordnung 
sind den Mitgliedern des königlichen Hauses wie der anderen landes- 
herrlichen Familien gewisse Vorrechte bei der Zeugenvernehmung und 
Eidesleistung eingeräumt. Insbesondere brauchen sie nicht persönlich 
vor Gericht zu erscheinen und leisten den Eid durch Unterschreiben der 
Eidesnormis). Zwar sollen auch abgesehen hiervon nach den Ein- 
führungsgesetzen") die Bestimmungen der Prozeßordnungen auf die 
Landesherren und ihre Familien nur Anwendung sinden, sofern nicht 
besondere Vorschriften der Hausverfassungen oder der Landesgesetze 
im Wege stehen. Solche besonderen Vorschriften gibt es jedoch in 
reußen nicht. 
d) Die Mitglieder der landesherrlichen Familien genießen gegen 
Tätlichkeiten und Beleidigungen nach §8 96, 97 Str.-G.-B. einen 
erhöhten strafrechtlichen Schutz. 
— — 
11) B. G.-Bl. 1869, S. 141. 
13) Vgl. C.-P.--O. 88 219, 375, 479, 482, Str.-Pr.-O. 8 71. 
14) §5 zur C.-P.-O., § 4 zur Str.-Pr.--O.
	        
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