8 68 Das ständische System. 381
setzte, in voller Wirksamkeit die Landstände. An ihren Beirat oder
an ihre Zustimmung war der Landesherr in den meisten, die Landes-
wohlfahrt betreffenden Angelegenheiten gebunden. Die ständischen
Rechte waren jedoch in den einzelnen Gebieten so ungleich entwickelt,
daß man den Umfang der ständischen Rechte nicht in allgemein gültiger
Weise feststellen kann. Nur das Recht der Stände, die Steuern zu
bewilligen, kann als gemeines deutsches Staatsrecht bis in die zweite
Hälfte des 17. Jahrhunderts angesehen werden. Die Landstände waren
jedoch nicht der Ausgangspunkt des Verfassungsrechtes der deutschen
Gebiete, sondern ihrerseits nur das Ergebnis eines anderen Rechts-
zustandes, der ständischen Ortsverwaltung. Aus dieser entwickelt sich
die Stellung der Landstände, welche wieder die den Charakter der
Landstände für die spätere Zeit bestimmende ständische Rechtsordnung
zur Folge hat.
Die Städte hatten sich schon sehr früh in den Besitz der dem
Landesherren in ihrem Stadtbezirke zustehenden Gerichtsbarkeit und
Polizei gesetzt. Hieraus entwickelt sich eine ziemlich umfassende städtische
Autonomie. Die Stadt als Genossenschaft regiert sich selbst nach den
ihr vom Landesherren gegebenen Privilegien, dem Landesherren bleibt
nur das Recht der obersten Aufsicht und der obersten Gerichtsbarkeit.
Auf dem flachen Lande machen die größeren Grundbesitzer, die welt-
lichen Gutsbesitzer wie die grundbesitzenden geistlichen Korporationen,
die kleineren Grundbesitzer zunächst wirtschaftlich von sich abhängig,
indem sie die dem Landesherren zustehenden Abgaben und Leistungen
von den bäuerlichen Besitzungen für sich erwerben. Hand in Hand
mit dieser wirtschaftlichen Abhäugigkeit geht die politische, welche her-
gestellt wird durch Uebertragung der landesherrlichen Gerichtsbarkeit
und Polizei über die Hintersassen an die Gutsherren. Die Ortsobrig-
gegenwärtig den preußischen Staat bilden, wäre daher hier unmöglich.
Es kann in dieser Beziehung auf die vollkommen erschöpfende Zu-
sammenstellung in dem Werke: Allgemeine Bücherkunde des branden-
burgisch-preußischen Staates, bearbeitet in der Redaktion des Deutschen
Reichsanzeigers und königlich preußischen Staatsanzeigers, Berlin 1871,
verwiesen werden. Unter den außerpreußischen Gebieten ist als für
die ständische Entwicklung überhaupt typisch namentlich von Interesse
die Geschichte der bayerischen und der mecklenburgischen Landstände,
letzterer besonders um deswillen, weil sich in den beiden mecklenburgischen
Großherzogtümern das ständische System mit den meisten charakteristischen
Zügen bis in die Gegenwart erhalten hat.