Full text: Preußisches Staatsrecht. Erster Band. (1)

§ 6 Friderician. Staat. Untergang d. alt. Monarchie (1740—1807). 31 
die Anschauung, welche im A. L.-R. II, 9 § 35 zum Ausdrucke ge- 
langt ist, daß der Adel zu den Ehrenstellen im Staate, zu denen 
er sich geschickt gemacht, vorzüglich befähigt sei. 
Dieses Uebergewicht des Adels in der herrschenden Klasse, dem 
berufsmäßigen Beamtentume, macht sich nun aber in der ganzen 
inneren Politik geltend. Die Stände als solche blieben allerdings 
beseitigt. Auch der Schutz der Bauern gegen eine ungerechtfertigte 
Ausbeutung durch die Gutsherren war bereits eine überlieferte Auf- 
gabe der preußischen Verwaltung geworden. Weitergehende Aufgaben 
stellte sich aber der Staat nicht mehr. Die Erbuntertänigkeit und 
die dingliche Abhängigkeit des Bauernstandes vom Großgrundbesitze 
blieb erhalten, ebenso die gutsherrliche Gerichtsbarkeit und Polizei. 
Weit bedenklicher war es, daß die ständische Gliederung der Gesell- 
schaft in einer Starrheit aufrecht erhalten wurde, wie sie bisher kaum 
jemals durchgeführt war. Der im 16. Jahrhundert unter der ständi- 
schen Reaktion zur Anerkennung gelangte Rechtssatz, daß der Bauer 
an die Scholle gebunden sei, blieb geltendes Recht. Der Bürger 
konnte zwar bäuerliche Güter erwerben, überkam aber, wenn er sich 
deren Bewirtschaftung widmete, alle Verpflichtungen eines Bauern. 
Die Rittergüter waren samt den ihnen als Zubehör anklebenden 
Zutsherrlichen Rechten mit der Aufhebung des Lehnsverbandes frei 
veräußerlich geworden. Gleichwohl wurde aber ihr Erwerb Nicht- 
adligen untersagt oder vielmehr an eine landesherrliche Genehmigung 
geknüpft, die nur unter besonderen Umständen erteilt wurde. Jedoch 
auch wenn der Erwerb gestattet wurde, waren dem nichtadligen Be- 
sitzer eines adligen Gutes die sogenannten ständischen Rechte, Jagd- 
recht, Patrimonialgerichtsbarkeit, Kreis= und Landstandschaft vorent- 
halten. Endlich durfte der Adel weder Bauerngüter erwerben noch 
in die Stadt ziehen und städtische Gewerbe betreiben. Das Ergebnis 
ist also, daß jeder Stand an seine Beschäftigungsart gebunden ist, 
daß im allgemeinen niemand aus dem Stande, dem er kraft seiner 
Geburt angehört, in einen anderen übergehen kann. 
Die starre Abgeschlossenheit der drei Stände gegeneinander wird 
noch verstärkt durch die verschiedenartige Besteuerung. Der Adel zahlt 
von seinem Grundbesitze die Lehnpferdegelder, eine Grundsteuer, die 
ihrer Höhe nach der des bäuerlichen Besitzes, der Kontribution, weit 
nachsteht. Der Bauernstand entrichtet Grundsteuern unter verschiedenen 
Namen, deren wichtigste — in einzelnen Provinzen die einzige — die
	        
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