§ 59 Wesen der Volksvertretung. 389
dies auch nicht durch Vertreter, da diese rechtlich an den Willen
ihrer Wähler nicht gebunden sind. Die Volksvertretung gibt daher
ihre Willenserklärung ab nicht im Auftrage des Volkes, sondern anstatt
des handlungsunfähigen Volkes. Die Willenserklärung der Volksver-
tretung ist der organisierte Volkswille selbst. Die Volksvertretung hat
aber ihre Willenserklärung nur abzugeben in den gesetzlich vorge-
sehenen Fällen. Nicht dem Volke, sondern dem Könige steht die Sou-
veränetät zu. Der König ist nicht ausführendes Organ des Volks-
willens, sondern sein Wille ist überall das Entscheidende. Nur hat
in gewissen Fällen der Wille des Königs nur dann bindende Kraft,
wenn er sich in Uebereinstimmung befindet mit dem im Landtage
vertretenen Volkswillen, und diese Willensübereinstimmung in den
gesetzlich vorgeschriebenen Formen festgestellt ist.
Es ergibt sich aus dieser Stellung der Volksvertretung zweierlei.
Der Wille des Landtages kann sich niemals Geltung verschaffen gegen
den Willen des Königs. Auch wo die Zustimmung des Landtages
gefordert wird, genügt diese allein nicht, um den für die Staats-
angehörigen verbindlichen Staatswillen zum Ausdrucke zu bringen.
Entscheidend ist vielmehr nur der Wille des Königs, der allerdings,
um ein verbindliches Gebot erlassen zu können, an die Zustimmung
des Landtages gebunden ist. Da der König der souveräne Herrscher
ist, kann er ferner nicht in allen Regierungshandlungen an die Zu-
stimmung des Landtages gebunden sein. Die Plenitudo potestatis steht
beim Könige, die Beschränkung der Kammern auf einzelne bestimmte
Befugnisse ist daher eine notwendige Folgerung aus dem monarchischen
Prinzipe. Ausdrücklich ausgesprochen ist dies in Art. 57 der Wiener
Schlußakte vom 5 ao 1820. Hier heißt es, da der deutsche Bund
mit Ausnahme der freien Städte aus souveränen Fürsten bestehe,
so müsse dem hierdurch gegebenen Grundbegriffe zufolge die gesamte
Staatsgewalt in dem Oberhaupte des Staates vereinigt bleiben, und
der Souverän könne durch eine landständische Verfassung nur in der
Ausübung bestimmter Rechte an die Mitwirkung der Stände gebunden
werden. Eine entscheidende Beschlußfassung der Volksvertretung findet
nur statt, wo ihre Wirksamkeit sich auf die politische Körperschaft
beschränkt und nur mittelbar nach außen wirkto).
6) Ungültigkeitserklärung einer Wahl entfernt das Mitglied aus
der Körperschaft, macht aber eine Neuwahl notwendig.