404 Das Verfassungsrecht. § 61
wissen staatlichen Handlungen, also ein öffentlicher Dienst gleich der
Mitgliedschaft bei anderen repräsentativen Körperschaften. Wie dieser
öffentliche Dienst begründet wird, ob durch königliche Ernennung oder
Wahl, und wie lange er dauert, ob lebenslänglich oder eine bestimmte
Anzahl von Jahren, ist für seinen rechtlichen Charakter vollständig
gleichgültig. Man kann daher nicht behaupten, daß die königliche Er-
nennung auf Lebenszeit einen unauslöschlichen Charakter verleihe.
Wenn dies der Fall wäre, so müßte überhaupt ein Aufhören der Mit-
gliedschaft selbst außer durch den Tod unmöglich sein, es könnte nur
die Ausübung des Rechtes suspendiert werden. Da das Gesetz aber
Fälle kennt, in denen die Mitgliedschaft selbst aufhört, so verneint es
damit den unauslöschlichen Charakter. Die Frage liegt genau ebenso,
als wenn es sich um die Mitgliedschaft einer anderen politischen Körper-
schaft oder um einen sonstigen öffentlichen Dienst handelte.
Das preußische Recht kennt nun im umfassendsten Maße einen
nicht von berufsmäßigen Beamten geleisteten öfsentlichen Dienst. Es
besteht aber keine allgemeine Generalklausel, welche einen Zwang zur
Uebernahme öffentlicher Dienste enthielte. Der Zwang ist nur aus-
gesprochen in bestimmten einzelnen Fällen, in denen dann gleichzeitig
die Zwangsmittel vom Gesetze angegeben werden. Zu diesen Einzel-
fällen gehört aber die Mitgliedschaft des Herrenhauses unstreitig nicht.
Soweit der Zwang nicht gesetzlich ausgesprochen ist, bleibt es Sache
des freien subjektiven Ermessens, ob jemand den Dienst übernehmen
oder den bereits übernommenen niederlegen will. Der freiwillige Ver-
zicht auf die Mitgliedschaft des Herrenhauses erscheint daher unbedingt
zulässig, ohne daß es der Zustimmung des Königs oder des Hauses
bedürfteis).
13) v. Rönne, Pr. St.-R., Bd. 1, S. 217, und H. Schulze,
Pr. St.-R., Bd. 1, S. 583, verhalten sich den Gründen der Ma-
trikelkommission gegenüber sleptisch, lassen aber die Frage zweifel-
haft. Unrichtig ist es jedensalls, wenn v. Rönne behauptet, die
Entscheidung könne getroffen werden durch eine einseitig vom Könige
erlassene Deklaration der Verordnung vom 12. Oktober 1854. Wenn
auch nach den Worten des Gesetzes nur eine Veränderung der Verord-
nung der Zustimmung der Kammern bedarf, so ist doch damit ge-
meint, das die Verordnung den formellen Charakter des Gesetzes haben
solle. Eine authentische Interpretation kann daher nur durch Gesetz
erfolgen. In Bayern, wo die Verfassungsurkunde ebenfalls keine Be-
stimmungen über die Zulässigkeit des Verzichtes auf die Mitgliedschaft