Full text: Preußisches Staatsrecht. Erster Band. (1)

410 Das Verfassungsrecht. 8 62 
hältu). Es werden hiernach sieben verschiedene Erfordernisse für die 
Wahlfähigkeit aufgestellt: 
1. Preußische Staatsangehörigkeit. Maßgebend für 
diese ist gegenwärtig das Reichsrechtts). Da die Wahlberechtigung 
für die Landesvertretungen nach Art. 3 der Reichsverfassung nicht zu 
denjenigen Befugnissen gehört, welche Reichsangehörige in anderen 
deutschen Staaten als in ihrem Heimatsstaate in Anspruch nehmen 
können, so ist auch heute noch die Reichsangehörigkeit nicht aus- 
reichend. Es sind nur die preußischen Staatsangehörigen, nicht aber 
Angehörige anderer deutschen Staaten wallberechtigt. 
2. Männliches Geschlecht. Es ist dieses Erfordernis zwar 
in der Verordnung vom 30. Mai 1849 nicht ausdrücklich ausge- 
sprochen, ergibt sich aber aus ihr mittelbar, da sie, wenn von 
den Wahlberechtigten die Rede ist, immer nur das Maskulinum ge- 
braucht. Tatsächlich ist auch die ausschließliche Wahlberechtigung des 
männlichen Geschlechtes bisher nie bezweifelt worden. 
3. Selbständigkeit. Mit diesem Worte verbindet sich kein 
klarer Begriff, und es ist zweifelhaft, was darunter zu verstehen ist. 
Am nächsten liegt es wohl, damit den selbständigen Haushalt zu meinen. 
Dem steht jedoch entgegen, daß dann gewisse Personen, die unmöglich 
wahlberechtigt sein können, wie z. B. Wahnsinnige, die einen selbst- 
ständigen Haushalt führen, von der Wahlberechtigung nicht gesetzlich 
ausgeschlossen wären. Man könnte ferner die Selbständigkeit mit der 
privatrechtlichen Handlungsfähigkeit gleichbedeuntend halten). Damit 
würden, da das Alter ein besonderes Ersfordernis bildet, Wahnsinnige 
und gerichtlich erklärte Verschwender ausgeschlossen sein. Die Frage 
der Hauskinder kommt nicht mehr in Betracht, da die elterliche Gewalt 
17) Im Gegensatze dazu erklärt der suspendierte Art. 70 der Ver- 
sassungsurkunde für stimmberechtigten Urwähler jeden Preußen, welcher 
das 25. Lebensjahr vollendet hat und in der Gemeinde, in welcher 
er seinen Wohnsitz hat, die Befähigung zu den Gemeindewahlen be- 
sitzt. In höchst unzweckmäßiger Weise werden damit bei der Ver- 
schiedenheit der Gemeindeordnungen auch partikulare Verschiedenheiten des 
aktiven Wahlrechtes für das Abgeordnetenhaus in das Verfassungs- 
recht eingeführt. 
18) Vgl. 88 44, 45. 
10) Widerspruchsvoll und verworren v. Rönne-Zorn, Pr. St.-R., 
Bd. 1, S. 310. « «·-’ «
	        
Waiting...

Note to user

Dear user,

In response to current developments in the web technology used by the Goobi viewer, the software no longer supports your browser.

Please use one of the following browsers to display this page correctly.

Thank you.