Full text: Preußisches Staatsrecht. Erster Band. (1)

412 Das Verfassungsrecht. 62 
rechte allgemein die Unfähigkeit knüpft, während der im Urteile be- 
stimmten Zeit in öffentlichen Angelegenheiten zu stimmen, zu wählen 
oder gewählt zu werden oder andere politische Rechte auszuüben. 
6. Sechsmonatiger Wohnsitz oder Aufenthalt in 
der Gemeinede des Wahlortes. Der Urwähler muß also 
die letzten sechs Monate in der Gemeinde, in der er wählen will 
seinen Wohnsitz oder Aufenthalt gehabt haben. Die Frage, inwiefert 
eine Unterbrechung in dieser Beziehung nachteilig ist, muß für Wohn“ 
sittz und Aufenthalt verschieden beantwortet werden. Eine vorübet" 
gehende Abwesenheit vom Wohnorte läßt den Wohnsitz im rechtlichen 
Sinne unberührt, ist also völlig unschädlich. Wenn dagegen jemamd 
seine Wahlberechtigung nicht auf den Wohnsitz, sondern auf den Auf- 
enthalt gründet, so muß dieser als ein rein tatsächliches Verhältnis 
ein während der ganzen sechs Monate ununterbrochener gewesen sein, 
wobei natürlich ganz unbedeutende Unterbrechungen, etwa zum Zweckt 
eines Landausflugs oder einer kleinen Geschäftsreise, nicht in Betracht 
kommen. Hat hiernach jemand in mehreren Gemeinden das Wahl“ 
recht, so ist anzunehmen, daß er es nur in einer Gemeinde ausübel 
darf, wenn auch der Art. 70 der Verfassungsurkunde, der diesen Grund= 
satz ausspricht, sormell nicht geltendes Recht ist. 
7. Das Nichtbeziehen von Armenunterstützung aus 
öffentlichen Mitteln. Es wird von der Wahlfähigkeit nur der- 
jenige ausgeschlossen, der Armenunterstützung „bezieht“, nicht auch del, 
welcher eine solche früher einmal bezogen hat. Maßgebend ist alsfo 
der Tag der Wahl. Dieser darf nicht in eine Zeitperiode fallen, für 
welche der Betreffende die Armenunterstützung aus öffentlichen Mittelrn 
entweder schon bezogen hat oder noch beziehen soll. 
Das frühere preußische Recht, insbesondere § 9 der Verordnundh 
vom 30. Mai 1849, gewährte den Militärpersonen, sofern die übrigen 
Voraussetzungen der Wahlberechtigung bei ihnen vorlagen, dasselb' 
Wahlrecht wie den anderen Untertanen. Sie waren vor diesen nock 
insofern begünstigt, als sie an ihrem Standorte ohne Nücksicht auf 
die Dauer des Aufenthalts an ihm wählten und, wenn sie mindestent 
in der Zahl von 750 Mann zusammenstanden, besondere Wahlbezirk 
bildeten. Zur Zeit der Wahlen einberufene Landwehrpflichtige wählten 
an dem Orte ihres Aufenthalts für ihren Heimatsbezirk. Um das 
Heer von allen politischen Strömungen und Einflüssen möglichst frei
	        
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