Full text: Preußisches Staatsrecht. Erster Band. (1)

422 Das Verfassungsrecht. z 64 
des Gewählten erfolgt, so ist anzunehmen, daß der Abgeordnete auch 
den bereits übernommenen Dienst jederzeit wieder niederlegen kann. 
Im gewöhnlichen Sprachgebrauche bezeichnet man dies fälschlich als 
Niederlegung des „Mandates“. 
4. Amtliche Beförderung. Zur Sicherung der unabhängigen 
Stellung derjenigen Abgeordneten, welche gleichzeitig Beamte sind, hat 
die Verfassungsurkunde Art. 78 Abs. 3 besondere Bestimmungen ge— 
troffen. In der Ausschließung der Beförderung während des Abge— 
ordnetendienstes hätte nicht nur eine Beschränkung des königlichen 
Ernennungsrechtes, sondern auch eine persönliche Benachteiligung der 
betrefsenden Beamten gelegen. Die Besörderung von Beamten, welche 
gleichzeitig Abgeordnete sind, bleibt daher unbeschränkt. Dagegen ist 
zur Verhütung von Beeinflussungen an die Annahme eines besol- 
deten Staatsamtes oder an den Eintritt in ein Amt des Staats- 
dienstes, mit welchem ein höherer Rang oder ein höheres Gehalt 
verbunden ist, seitens eines Mitgliedes des Abgeordnetenhauses der 
Verlust von Sitz und Stimme im Landtage geknüpft. Der betreffende 
Beamte kann seine Stelle in ihm nur durch eine neue Wahl wieder 
erlangen. Die Verfassungsurkunde konnte natürlich nur von den 
preußischen Beamten sprechen, in analoger Rechtsanwendung ist aber 
das Gleiche auch von den Reichsbeamten anzunehmen. Dagegen sind 
Hofbeamte nicht als Beamte zu betrachten. 
5. Eintritt in das Herrenhaus oder in die Oberrechnungskammer. 
Da niemand Mitglied beider Häuser des Landtages und kein Mitglied 
der Oberrechnungskammer Mitglied des Landtages sein kann (Art. 78 
Abs. 1 V.-U., Ges. vom 27. März 1872), so ist die Annahme der 
Berufung in das Herrenhaus oder in die Oberrechnungskammer seitens 
eines Mitgliedes des Abgeordnetenhauses als stillschweigender Verzicht 
auf die Mitgliedschaft des Abgeordnetenhauses aufzufassen. 
6. Die rechtskräftige Verurteilung zum Verluste der bürgerlichen 
Ehrenrechte hat nach § 34 Str.-G.-B. die Unfähigkeit zur Ausübung 
politischer Rechte, demgemäß auch der Mitgliedschaft des Abgeordneten- 
hauses von Rechts wegen zur Folge. Dagegen bewirkt die Verurteilung 
zu Zuchthausstrafe an sich bloß die dauernde Unfähigkeit zur Beklei- 
dung öffentlicher Aemter einschließlich der Rechtsanwaltschaft und des 
Notariats, des Geschworenen= und Schöffendienstes. Als ein öffent- 
liches Amt kann man nun aber den Abgeordnetendienst nicht ansehen. 
Die Eigenschaft als Abgeordneter würde daher auch durch Verurteilung
	        
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