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Grund für die Vorladung liegt aber in dem Bedürfnisse nach Ermitt-
lung der Wahrheit in einem schwebenden Prozesse. Ebensowohl wie
durch die Aeußerung im Hause kann das Gericht durch irgendwelche
andere Gesichtspunkte auf den Zeugen aufmerksam geworden sein. Da
der Zeuge diese gar nicht zu kennen imstande ist, so vermag er sich
auch nicht auf seine Eigenschaft als Volksvertreter zu berufen. Wollte
man aber den Grund der Vorladung in der Aecußerung sehen, auch
zugunsten des Zeugen annehmen, daß das Gericht lediglich durch diese
auf ihn aufmerksam geworden sei, so würde man damit jedem Volks-
vertreter, dem die Verpflichtung zur Ablegung eines ihm unange-
nehmen Zeugnisses droht, die Möglichkeit geben, durch eine Aeußerung
im Hause sich seiner Zeugnispflicht zu entziehen. Auch was einem
Mitgliede der Volksvertretung in Ansübung seines Berufs anvertraut
ist, berechtigt nicht zur Zeugnisverweigerung. Ein Abgeordneter ist
kein Beichtvater. Dagegen sind Mitglieder der Volksvertretung während
der Dauer der Sitzungsperiode und ihres Aufenthaltes am Orte der
Versammlung an diesem Orte zu vernehmen, soweit das Haus nicht
eine Abweichung genehmigt (8 382 Z.-P.-O., 8 40 Str.-Pr.-O.).
Es ist ferner nur die Verantwortlichkeit des Volksvertreters für
Aeußerungen in seinem Berufe ausgeschlossen, dagegen nicht der straf-
bare Charakter an und für sich strasbarer Handlungen verneint. Es
kann daher wegen Aeußerungen, die unter anderen Umständen straf-
bar sein würden, zwar keine Bestrafung erfolgen, dagegen können sich
an die Aeußerung sonstige, an das Begehen einer strafbaren Hand-
lung gelnüpfte Rechtsfolgen anschließen. Eine auf der Tribüne del
Kammer gefallene Beleidigung kann z. B. mit einer außerhalb der
Kammer gegen den betreffenden Volksvertreter geschehenen Beleidigung
kompensiert werdento). Auch würde eine zivilrechtliche Schadensersatz-
klage wegen Vermögensbeschädigung durch Verleumdungen in der
Kammer nicht für ausgeschlossen zu erachten sein, da unter der Ver-
antwortungslosigkeit nie die Ausschließung einer Zivilklage verstanden
werden kann.
Die Verantwortlichkeit der Volksvertreter findet nur statt inner-
halb der Kammer. Während Art. 84 der Verfassungsurkunde auch
100) Anderer Ansicht allerdings das Urteil des Reichsgerichts in
Strassachen vom 5. März 1881, Bd. 4, S. 15; Stenglein, Lexikon des
deutschen Strafrechts Bd. 2, S. 1001, mit der Begründung, Reden der
Abgeordneten dürften überhaupt nicht Gegenstand richterlicher Erörté“
rung sein.