8 66 Sonderstellung der Volksvertreter. 431
3. Freiheit von Zivilhaft. Weiterhin hat Art. 84 der
Verfassungsurkunde zu der Verhaftung eines Landtagsmitgliedes wegen
Schulden während der Sitzungsperiode die Genehmigung des betreffen-
den Hauses für notwendig erklärt und die Unterbrechung jeder Zivil-
haft während dieser Zeit auf Verlangen des Hauses angeordnet. Die
Haft ist nun gegenwärtig in Zivilsachen nur noch zulässig als Zwangs-
mittel zur Leistung oder Unterlassung von Handlungen, zu denen der
Schuldner verurteilt ist, und als Zwangsmittel zur Leistung des
Offenbarungseides. Auch in diesen noch einzig zulässigen Fällen der
Zivilhaft hat das Reichsrecht die Ausnahmebestimmungen der meisten
bisherigen Landesgesetze aufrecht erhalten. Die Haft ist nach § 904
Nr. 1 Z.-P.-O. unzulässig gegen Mitglieder einer deutschen gesetz-
gebenden Versammlung während der Sitzungsperiode, sofern nicht die
Versammlung die Vollstreckung genehmigt. Sie wird ferner nach
§ 905 Nr. 1 Z.-P.-O. unterbrochen gegen Mitglieder einer deutschen
gesetzgebenden Versammlung für die Dauer der Sitzungsperiode, wenn
die Versammlung die Freilassung verlangt. Sachlich entsprechen diese
Bestimmungen vollständig dem betreffenden Satze des Art. 84 der Ver-
fassungsurkunde. Dieser ist jedoch durch die gedachten, an seine Stelle
getretenen reichsgesetzlichen Normen formell aufgehoben.
Der Zweck der Unzulässigkeit der Zivilhaft unter den erwähnten
Voraussetzungen ist derselbe wie der der Unzulässigkeit der Strafhaft.
Noch weniger als in Strafsachen kann einem Hause des Landtages
in Zivilsachen, wo es sich um Privatrechte einzelner handelt, die Be-
fugnis eingeräumt werden, die Rechtmäßigkeit einer Zwangsvollstreckung
zu prüfen und damit die Unabhängigkeit der Rechtspflege zu beein-
trächtigen. Das Haus hat sich vor seiner Beschlußfassung bloß zu
fragen, ob die Zivilhaft, mag sie an sich rechtlich begründet sein oder
nicht, in einem gegebenen Falle gemißbraucht werden soll, um ein
Mitglied von dem Landtage fernzuhalten.
4. Strafhaft. Eine Unterbrechung der Strafvollstreckungs=
haft findet dagegen zugunsten der Mitglieder des Landtages unter
keinen Umständen statt.
5. Diätenanspruch. Die Mitglieder des Abgeordnetenhauses
erhalten auf Grund des Art. 85 der Verfassungsurkunde Reisekosten
und Diäten aus der Staatskasse nach Maßgabe des Gesetzes. Bis
zum Jahre 1873 kam es nicht zum Erlasse dieses Gesetzes. Die Ab-