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hätte daher nur dieselbe staatsrechtliche Bedeutung wie die einer
beliebigen Privatversammlung. Allein die verfassungsmäßige gleich-
zeitige Berufung beider Häuser des Landtages kann die einzelnen
Personen zu politischen Körperschaften konstitnuieren#).
Dem Könige ist durch Art. 76 der Verfassungsurkunde die Ver-
pflichtung auferlegt, die beiden Häuser des Landtages regelmäßig in
dem Zeitraume von dem Anfange des Monats November jeden Jahres
bis zur Mitte des folgenden Januar einzuberufen. Diese Vorschrift
ist, wie schon aus der Beifügung des Wortes „regelmäßig“ hervor-
geht, eine rein instruktionelle und läßt die Rechtsgültigleit einer
früheren oder späteren Berufung unberührt. Es gibt ferner keinerlei
Mittel, die Berufung in dem gedachten Zeitraume zu erzwingen.
Unrichtig ist es, daß eine Unterlassung der Einberusung in der an-
gegebenen Frist das Ministerium wegen Verfassungsverletzung verant-
wortlich machen würdet). Denn die Voraussetzungen der strafrechtlich
verfolgbaren Verfassungsverletzung würden nicht vorliegen, für eine
disziplinare Ahndung sehlen aber gesetzliche Bestimmungen. Die
politische Verantwortlichkeit der Minister bleibt unleugbar. Die Be-
stimmung der Verfassungsurkunde ist aber eine lex imperkecta).
Außerdem muß der König nach einer Auflösung des Abgeord-
netenhauses innerhalb eines Zeitraumes von nennzig Tagen nach der
Auflösung die beiden Häuser des Landtages versammeln (Art. 51)
Diese Vorschrift ist zwingender Natur, es ist keinerlei Ausnahme
zugelassen. Sollte jedoch verfassungswidrig die Berufung nicht inner
halb des vorgeschriebenen Zeitraumes erfolgen, so würde ebenfallt
jedes Mittel sehlen, die Berufung zu erzwingen. Die Minister würd
man nur haftbar machen können für von ihnen gegengezeichnet
Handlungen des Königs, nicht aber für seine Unterlassungen. Ma
könnte höchstens die Minister für haftbar erklären, wenn sie es unter
lassen hätten, den König auf die verfassungsmäßig notwendige Be
rufung des Landtages aufmerksam zu machen. Zu einer Strafverfol
gung würden aber auch in diesem Falle die gesetzlichen Grundlage
sehlen. Es bliebe nur die allgemeine politische Verantwortlichkeit
Der regelmäßig in der Zeit vom November bis Jannar z
berufende Landtag kann als der ordentliche bezeichnet werden. Fü
5) Art. 77 Abs. 2 V.ru.
4) So H. Schulze, Pr. St.--R., Bd. 1, S. 618.
5) Anders in der 1. Aufl.