Full text: Preußisches Staatsrecht. Erster Band. (1)

448 Das Versassungsrecht. 8 67 
müssen, wenn sie angenommen sind, in der nächsten Sitzung nach 
erfolgtem Druck und Verteilung nochmals zur Abstimmung gebracht 
werden, wobei neue Verbesserungsanträge nicht mehr zulässig sind. 
Sogenannte formelle Anträge, d. h. Anträge, welche nicht die 
Sache selbst, sondern deren geschäftliche Behandlung belreffsen, werden 
in beiden Häusern verschieden behandelt. Im Herrenhause können 
Anträge auf Vertagung der Sitzung, Absetzung eines Gegenstandes 
von der Tagesordnung, Vertagung oder Schluß der Debatte oder 
Wiedereröffnung der bereits geschlossenen Erörterung von jedem Mit- 
gliede des Hauses mündlich oder schriftlich unter Unterstützung von 
fünfzehn Mitgliedern gestellt werden und sind zur Abstimmung zu 
bringen, nachdem das Wort einmal für und einmal gegen den Antrag 
gestattet ist. Nach der Geschäftsordnung des Abgcordnetenhauses be- 
darf der Antrag auf Vertagung oder Schluß der Debatte der Unter- 
stützung von dreißig Mitgliedern. Demnächst wird die noch aus- 
stehende Rednerliste verlesen und ohne weitere Begründung des An- 
trages und ohne Besprechung über ihn abgestimmt. Der Antrag 
auf einfache Tagesordnung kann ohne weitere Unterstützung zu jeder 
Zeit gestellt werden. Der Beschluß der Versammlung über den 
Antrag auf einfache Tagesordnung ersolgt, nachdem ein Redner dafür 
und ein Redner dagegen gehört ist. Der einmal verworfene 
Antrag auf Tagesordnung darf im Laufe derselben Erörterung nicht 
wiederholt werden. Nach den Geschäftsordnungen beider Häuser ist 
ein Uebergang zur Tagesordnung über Gesetzvorlagen oder Anträge 
der Regierung oder des anderen Hauses unstatthaft. 
Bei der Besprechung über Gesetzentwürse findet zuerst eine Ver- 
handlung über den Grundsatz des Vorschlages oder einer Ableilung da- 
von im allgemeinen slatt. Bei dieser allgemeinen Besprechung kann jedes 
Mitglied nur einmal zum Worte verstattet werden. Es folgt die Ver- 
handlung über die einzelnen Abschnitte oder Paragraphen und die sich 
daran anschließenden Verbesserungsanträge. Nach der Geschäftsordnung 
des Herrenhauses darf jedoch nach dem Schlusse der allgemeinen Be- 
sprechung auf Beschluß des Hauses über die Annahme eines Gesetzes 
oder einzelner Abschnitte davon ohne weitere Beratung im ganzen 
abgestimmt werden. Die Vorlagen werden im Herrenhause in zwei- 
maliger, im Abgeordnetenhause in dreimaliger Verhandlung oder Lesung 
erörtert. Die erste Lesung beschäftigt sich mit den allgemeinen Gesichts- 
punkten. Die sie schließende Abstimmung bezieht sich nur auf die
	        
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