Full text: Preußisches Staatsrecht. Erster Band. (1)

38 Grundzüge der Verfassungsgeschichte. 87 
die Kommunalverwaltung der Landgemeinden und der Erbschulzen- 
berechtigungen. Ein Plan nach dem anderen wurde vorgelegt, geprüft 
und wieder verworfen, keiner befriedigte, die Reform schien nicht 
mehr von der Stelle zu kommen. Ein äußerer Anlaß, der freilich 
durch die politische Haltung des Ministeriums selbst hervorgerusen 
war, brachte das System zu Falle. Die politische Lage des Staats 
und seine finanziellen Verpflichtungen gegen Frankreich machten die 
Eröffnung neuer Einnahmequellen zur Notwendigkeit. Dies konnte 
nur geschehen durch eine umfassende Finanzreform. Eine solche stand 
aber weder auf dem Programme Steins noch auf dem seiner Nach- 
solger. Man half sich daher durch Domänenverkäufe, welche durch 
ein das Hausgesetz Friedrich Wilhelms I. abänderndes Hausgesetz ge- 
stattet wurden, und durch die Sakularisation der geistlichen Güter. 
Schließlich mußte trotzdem Altenstein zu dem Vorschlage einer teilweisen 
Abtretung Schlesiens zur Befriedigung Frankreichs greisen. Dies ver- 
anlaßte den Sturz des Ministeriums. Gegenwärtig ist es auch klar, 
weshalb die Verwaltungsreform für das flache Land nicht glückte. 
Die Selbsttätigkeit der Untertanen für den Staat setzt deren wirt- 
schaftliche Selbständigkeit voraus. Eine solche war aber trotz der Auf- 
hebung der Erbuntertänigkeit nicht vorhanden, da die dingliche Ab- 
hängigkeit der Bauergüter von den Nittergütern fortdauerte. 
Mit dem Eintritte Hardenbergs in das Ministerium wird daher 
das zurzeit noch undurchführbare Steinsche Programm der Verwal- 
lungsresorm ersetzt durch das der Finanz= und Wirtschaftsreform. 
Zunächst erging eine umfassende Steuergesetzgebung nach französisch- 
westfälischem Muster, welche auf dem Grundsatze beruhte, daß dieselben 
Steuern in Stadt und Land von Adligen, Bürgern und Bauern zu 
erheben seien. Durch die drei großen Steuergesetze des Jahres 1810 
wurde eine Konsumtions= und Luxusstleuer, eine Gewerbesteuer unter 
grundsätzlicher Anerkennung der Gewerbefreiheit und eine Stempel- 
steuer und 1812 als vorübergehende Abgabe eine Vermögens= und 
Einkommenssteuer eingeführt. Nur die Resorm der Grundsteuern blieb 
der praktischen Schwierigkeiten wegen vertagt. Diese Steuergesetz- 
gebung ist eigentlich erst die tatsächliche Durchführung der in dem 
Edikte vom 9. Oktober 1807 ausgesprochenen Aufhebung der ständischen 
Gliederung der Gesellschaft. Denn wie die verschiedene Besteuerung 
der drei Stände die stärkste Stütze der bereits innerlich hohlen stän- 
dischen Rechtsordnung gewesen war, so mußte die Aufrechterhaltung
	        
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