458 Das Verfassungsrecht. § 69
stehend aus dem Präsidenten als Vorsitzenden und zehn von den
Abteilungen zu wählenden Mitgliedern. Die weitere Behandlung der
Adresse erfolgt dann in derselben Weise wie diejenige von Gesetz-
entwürfen. Im Abgeordnetenhause findet, nachdem der Erlaß einer
Adresse beantragt ist, die Vorbereitung wie diejenige anderer Vor-
lagen statt. Wird die Verweisung an eine Kommission beschlossen,
so wird diese aus dem Präsidenten, bei dessen Behinderung dem
Vizepräsidenten als Vorsitzenden und 21 von den Abteilungen zu
wählenden Mitgliedern gebildet. Diese Kommission hat nötigenfalls
auch die Adresse abzufassen. Soll die Ueberreichung der Adresse durch
eine Abordnung erfolgen, so wird die Zahl der Mitglieder durch
Beschluß des betreffenden Hauses bestimmt. Der Präsident und bei
Adressen des Herrenhauses auch die Vizepräsidenten sind von Amts
wegen Mitglieder der Deputation. Die übrigen Teilhaber werden
durch das Los bezeichnet.
5. Interpellationsrechts).
Jedes Haus hat ferner nach Art. 82 Abs. 3 der Verfassungs-
urkunde das Recht, die an es gerichteten Schreiben an die Minister
zu überweisen und von ihnen Auslunft über eingehende Beschwerden
zu verlangen. Tatsächlich erweitert sich diese Befugnis zu einem all-
gemeinen Fragerechte ohne Rücksicht auf den Anlaß. Dieses Recht
hat genau denselben Charakter wie das Recht der Adresse. Es bildet
die Fortsetzung des in Art. 32 der Verfassungsurkunde allen Preußen
eingeräumten Petitionsrechtes. Alle Preußen dürsen bitten. Da dies
auch Fremden nicht verboten ist, dürfen aber auch alle Fremden bitten.
Die Beschränkung, daß Petitionen unter einem Gesamtnamen nur
Behörden oder Korporationen gestattet sind, ist rechtlich bedentungslos.
Deun anonyme oder pseudonyme Petitionen sind nirgends verboten.
Keine Macht der Welt kann Bitten mit der Unterschrift „die Ein-
wohner von Schilda“ oder „die Bauhandwerker des Marienburger
Schlosses“ verhindern, oder hätte auch nur das geringste Interesse
daran, sie zu verbieten. Aus der unbezweifelten Wahrheit, daß alle
Menschen alles mögliche bitten können, welche die Verfassungsurkunde
ausdrücklich auszusprechen für angemessen findet, solgt, daß man auch
ein Haus des Landtages um etwas bitten kann. Eine Beschränkung
6) Rosegger, Das parlamentarische Interpellationsrecht (aus
Jellinek und Anschütz, Abhandlungen Bd. 6, Heft 2) Leipzig 1907.