Full text: Preußisches Staatsrecht. Erster Band. (1)

g 69 Die formellen Befugnisse des Landtages. 459 
besteht nach Art. 81 Abs. 2 der Verfassungsurkunde nur insofern, 
als niemand den beiden Häusern des Landtages oder einem derselben 
in Person eine Bittschrift oder Adresse überreichen darf. 
Niemand kann aber auf eine Bitte mehr gewähren, als wozu 
rechtlich seine Macht ausreicht. Der Landtag ist kein selbständiges 
Staatsorgan, er hat bloß mitzuwirken beim Erlasse gewisser Staats- 
akte. Er kann deshalb auf eine an ihn gerichtete Bitte, mag sie von 
Einheimischen oder Fremden kommen, wieder nichts tun als bitten 
und fragen. Ob er das tun will, ist lediglich seine Sache. Es 
besteht keinerlei rechtliche Verpflichtung für eines der beiden Häuser 
des Landtages, gewisse Petitionen zu berücksichtigen und andere un- 
beachtet zu lassen. Ebensowenig wie dem Bittrechte der einzelnen 
Untertanen eine Pflicht des Landtages entspricht, die Bitte zu unter- 
stützen, solgt aus dem „Rechte“ des Landtages eine Pflicht der Re- 
gierung, die Bitte des Hauses zu gewähren oder seine Fragen zu 
beantworten. Die Aufstellung einer solchen Verpflichtung ist begriff- 
lich unmöglich, da man nie juristisch feststellen kann, wann eine Bitte 
gewährt oder eine Frage beantwortet ist. Bekanntlich kann man 
konventionell beide Forderungen erfüllen, während sachlich das Gegen- 
teil der Fall ist. 
Das Bitt= und Fragerecht ist allerdings gesetzlich nur dem ganzen 
Hause zugestanden, nach der Geschäftsordnung steht es aber auch 
jedem einzelnen Mitgliede zu, das im Herrenhause von mindestens 
zwanzig, im Abgeordnetenhause von mindestens dreißig Mitgliedern 
unterstützt wird. An die Interpellation kann sich eine Besprechung. 
anknüpfen, aber nie eine Beschlußfassung. Die Bedentung des Inter- 
pellationsrechtes liegt nur auf politischem Gebiete. 
6. Engqucterecht. 
Endlich hat nach Art. 82 der Verfassungsurkunde jedes Haus die 
Befugnis, behufs seiner Information Kommissionen zur Untersuchung 
von Tatsachen zu ernennen. Die Tragweite dieser praktisch wenig 
bedeutsamen Bestimmung ist vielfach bestritten. Man hat behauptet, 
Art. 82 berechtige den Landtag nur, durch die Kommission Be- 
weismittel zur Feststellung von Tatsachen behufs seiner Information 
aufzunehmen, nicht aber Maßregeln der Staatsregierung im ganzen 
einer Untersuchung zu unterziehen. Diese Auslegung erscheint einer- 
seits als zu weit, andererseits als zu enge. Die Häuser des Landtages 
können nur mit dem Ministerium, nicht aber mit untergeordneten
	        
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