Full text: Preußisches Staatsrecht. Erster Band. (1)

8 70 Begriff der Regierung. 461 
Zweite Abtrilung. Dir Funktionen des Staates. 
Erster Hbschnitt. vDon der Reglserung“"). 
8 70. Begriff der Negierung. 
Das konstitutionelle Staatsrecht hat seinen Ausgangspunkt in 
Rechtsphilosophie wie positiver Rechtswissenschaft genommen von der 
Teilung der Gewalten, wie sie auf Grund ungenauer Kenntnis des 
englischen Staatsrechtes und seiner geschichtlichen Entwicklung zuerst 
von Locke aufgestellt, demnächst von Montesquien übernommen und 
von der ganzen älteren konstitutionellen Lehre als unerschütterlicher 
Glaubenssatz betrachtet wurde. Unter geringer Aenderung der Locke- 
Montesquieuschen Lehre nahm man später ziemlich allgemein die drei 
Gewalten an, die schon von Aristoteles aufgestellt waren, die gesetz- 
gebende, ausführende und richterliche. 
Die unterscheidenden Merkmale der drei Gewalten sind formeller 
und materieller Natur. Sie werden geschöpft aus der Art und Weise 
des Zustandekommens des betreffenden Staatsaltes und aus seinem 
Inhalte. Beide, Form und Inhalt, entsprechen einander. Akte von 
einem gewissen Inhalte können nur in einer bestimmten Form vor- 
genommen werden, und umgekehrt in einer bestimmten Form vor- 
genommene Akte müssen einen gewissen Inhalt haben. Die höchste 
Gewalt ist die gesetzgebende. Das Gesetz bestimmt die Normen der 
menschlichen Lebensverhältnisse, soweit diese Normen vom Staate aus- 
gehen. Die Gesetzgebung wird ausgeübt von der Volksvertretung, 
entweder allein oder in Gemeinschaft mit dem Könige. Jede vom 
Staate erlassene Rechtsnorm ist also Gesetz, und es kann kein Gesetz 
von jemand anders ausgehen als von der gesetzgebenden Gewalt. Die 
Ausführung der bestehenden Rechtsnormen ist Sache der exekutiven 
oder vollziehenden Gewalt, welche dem Könige übertragen wird. Nur 
er bzw. seine Beamten dürfen die Gesetze ausführen. Er darf aber 
nichts anderes tun als dies, insbesondere also keinerlei Rechtsnormen 
erlassen. Die richterliche Gewalt endlich, welche besonderen, von der 
. 
  
*) Vgl. v. Rönne, Pr. St.-R., Bd. 1, S. 415; H. Schulze- 
Gaevernitz, Pr. St.-R., Bd. 2, S. 164 ff.; L. Stein, Die voll- 
ziehende Gewalt als erster Teil der Verwaltungslehre, 2. Aufl., Stutt- 
gart 1869.
	        
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