8 73 Die Ausführungsverordnungen. 477
der Verfassungsurkunde die Gerichte keiner anderen Autorität als
der des Gesetzes unterworfen sein sollen, so steht dies ihrer Ver-
pflichtung zur Anwendung der erwähnten Ausführungsverordnungen
nicht im Wege. Denn es ist damit nur den Gerichten die selbständige
Rechtsauslegung gesichert, daß sie auch andere Normen als Gesetze
anzuwenden haben, leidet keinen Zweifel. Rechtsvorschriften kann
also die Ausführungsverordnung nur enthalten, wenn und soweit das
Gesetz, zu dem die Ausführungsverordnung ergeht, dies gestattet.
Eine Ausführungsverordnung dieser Art hat denselben Charakter wie
alle anderen Rechtsverordnungen, welche der König innerhalb der
seinem Verordnungsrechte gezogenen rechtlichen Schranken erläßt.
Behält das Gesetz den Erlaß besonderer Rechtsvorschriften durch
königliche Verordnung nicht vor, so sind solche damit zu dem be-
treffenden Gesetze ausgeschlosseno). Das königliche Verordnungsrecht
zwecks Erlaß rechtlicher Normen ist nur bei solchen Gegenständen
zulässig, die nicht bereits durch die Gesetzgebung in Anspruch genommen
sind. Sobald also über einen Gegenstand die Gesetzgebung rechtliche
Vorschriften erläßt, verbictet sich damit, da nach Art. 109 der Ver-
fassungsurkunde Gesetze nur durch Gesetze abgeändert werden können,
eine Aufhebung oder Aenderung der betreffenden Rechtsvorschrift durch
Verordnung.
II. Die Ausführungsverordnung enthält tatsächliche Anordnungen.
Zahlreiche Gesetze geben Rechtsvorschriften oder treffen Bestimmungen,
5) Der herrschende Sprachgebrauch drückt diesen ziemlich allgemein
anerkannten Grundsatz dahin aus, die Ausführungsverordnungen dürften
nur Verwaltungsverordnungen, nicht Rechtsverordnungen sein, d. h. sie
dürften nur tatsächliche Anordnungen, keine Rechtsnormen enthalten.
So v. Rönne, Pr. St.-R., Bd. 1, a. a. O.; H. v. Schulze-Gaever-
nitz, Pr. St.-R., Bd. 2, a. a. O. Im Gegensatze zu der herrschen-
den Ansicht stellt Arndt, Das Verordnungsrecht des Deutschen Reiches,
S. 76, die Behauptung auf, die Ausführungsverordnungen könnten auch
allgemein verpflichtende Regeln enthalten. Er hat jedoch dabei unter-
lassen, das Verhältnis dieser Regeln zu dem Gesetze klarzustellen. Daß
die Ausführungsverordnung nicht vorbehaltene Rechtssätze aussprechen
kann, ist richtig. Dasselbe vermag aber auch jedes richterliche Urteil,
Die Aufstellung selbständiger, d. h. nicht aus dem Gesetze entnommener
echtsnormen ist jedenfalls unmöglich. Die Ausführungsverordnung kann
kein Recht setzen, sondern nur entwickeln ähnlich dem richterlichen Ur-
teile. Der Nachweis hierfür ist im folgenden versucht.