Full text: Preußisches Staatsrecht. Erster Band. (1)

482 Das Versassungsrecht. 874 
Widerspruch setzen. Sofern jedoch solche Anordnungen nicht bestehen, 
ist jede nichtrichterliche Behörde zum Erlasse von Ausführungsverord- 
nungen zwecks Auslegung der Gesetze berechtigt. 
5 74. Das Organisationsrechtt). 
Das Organisationorecht ist die Befugnis, die Bildung und die 
Zuständigkeit der Behörden zu bestimmen. Die Staatsrechtslehre be- 
findet sich in einer eigentümlichen Schwanlung und Unklarheit darüber, 
ob die Organisation sich sachlich darstellt als Erlaß einer Rechtsnorm 
oder als Vollzugsaklt zur Durchführung einer solchen. Es beruht dies 
zum Teil auf einer Verwechslung des formellen und materiellen 
Gesetzesbegriffes. Die Tatsache, daß die Gerichte durchgängig durch 
Gesetz, die Verwaltungsbehörden meist durch Verordnung organisiert 
wurden, glaubte man durch eine materielle Verschiedenheit in dem 
Wesen der Organisation beider erllären zu müssen:). Labands) führt 
aus, da der Staal wie jede juristische Person ein Gebilde des Rechtes 
sei, und die Organisation jeder juristischen Person durch die Rechts- 
ordnung bestimmt werde, so beruhe auch die Bildung und Wirksamkeit 
der staatlichen Organe auf Rechtsnormen. Die einmal organisierte 
juristische Person könne aber durch eigene Tätigleit ihre Organisation 
weiter ausbilden. Je nachdem die Maßregel nur innerhalb des Ver- 
waltungsapparates wirlsam sein solle, oder sie ihre Wirkungen außer- 
halb dessen erstrecke, liege ein Vollzugsakt oder eine Nechtsnorm vor. 
Das ist die privatrechtliche Auffassung der Rechtsnorm oder eines 
Gesetzes im materiellen Sinne als einer Abgrenzung von Willens- 
sphären. Ob die Rechtsnorm sich innerhalb des Behördenorganismus 
hält oder über ihn hinausgeht, ist für ihr Wesen gleichgültigt). Des- 
gleichen past der Gegensatz der Organisation durch Rechtsnormen oder 
1) Vgl. Zachariä § 167; v. Gerber 853; v. Rönne, Pr. 
St.-R., Bd. 1, S. 422; Seydel, BVayer. St.-R., Bd. 3, S. 546; 
Guneist, Gesetz und Budget, S. 36 ff.; Arndt, Verordnungsrecht, 
S. 144 ff.; s. autßerdem die Zitate in den folgenden Noten. 
2) So ohne nähere Begründung v. Gerber §9 45, 563. 
5) Zuletzt im Reichsstaatsrecht (5. Aufl.), S. 145. 
4) Vgl. § 71, N. 6—8. Die Unterscheidung wird auch gemacht vom 
H. Schulze, D. St.-R., § 187; E. Mayer in der Krit. Viertel- 
jahrsschrift, N. F. VIII, S. 140.
	        
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