486 Das Versassungsrecht. 874
darf aber auch nicht einer von ihm organisierten Behörde eine Zu—
ständigkeit geben, welche in die gesetzlich organisierter Behörden ein—
greist. Denn darin würde eine Abänderung des Gesetzes liegen.
Schon hieraus ergibt sich, daß es unzulässig wäre, einer durch Ver—
ordnung gebildeten Behörde Geschäfte zuzuweisen, die bisher zur Zu-
ständigkeit der Gerichte gehörten, da die Gerichte gesetzlich organisierte
Behörden sind. Art. 96 der Verfassungsurkunde erachtet es aber für
nötig, diesen selbstverständlichen Grundsatz noch ausdrücklich auszu-
sprechen, indem er die Bestimmung der Zuständigkeit zwischen Gerichten
und Verwaltungsbehörden der Gesetzgebung zuweist. Innerhalb dieser
gesetzlichen Schranken hat aber der König die Organisation der Be-
hörden zu bestimmen.
Frei betätigt werden kann das gesetzlich nicht gebundene königliche
Organisationsrecht freilich nur, soweit die neue Organisation nicht die
Aufwendung besonderer Geldmittel erfordert, z. B. die Medizinal-
angelegenheiten werden vom Kultusministerium auf das Ministerium
des Innern übertragen. Sind dagegen für die neue Organisation
neue Geldmittel notwendig, z. B. es sollte elwa ein besonderes Medi-
zinalministerium mit eigenem Minister gebildet werden, so bedarf es
für die neue Position des Ausgabeetats der Zustimmung des Land-
lages. Die Organisation selbst ist und bleibt Sache der Regierung,
aber ihre praktische Durchführung ist vom Etatsgesetze abhängig. Der
Landtag hat daher bei der Organisation wenigstens mittelbar mit-
zuwirken, indem er sie ermöglichts).
Die hier aufgestellten Grundsätze sind im wesentlichen unbe-
strittento). Es kann jedoch im einzelnen Falle zu Zweifeln Ver-
anlassung vorliegen, welche Behörden auf Gesetz beruhen und demnach
nur durch Gesetz eine andere Organisation erhalten können, und welche
") Das Gegenteil stand in der 1. Aufl., nämlich die Verpfslichtung
des Landtages, die Mittel als gesetzlich notwendige Ausgaben zu be-
willigen und das Recht der Regierung, die Mittel auch ohne Bewilligung
zu verwenden. Aber gesetzlich notwendig wird die Ausgabe erst durch
die erstmalige Einstellung in das Etatsgesetz, also durch die erste Be-
willigung des Landtages. Vgl. im Verwalkungsrechte den Abschnitt
über das Etatsrecht.
10) Auch bei der preußiischen Ministerkrisis vom März 1878 wurde
nur die politische Forderung ausgesprochen, daß die Organisation aller
Behörden durch Gesetz erfolge.