Full text: Preußisches Staatsrecht. Erster Band. (1)

488 Das Verfassungsrecht. 8 71 
standekommens, nämlich die Vorberatung durch die Gesetzkommission, 
vor. Diese Bestimmungen wurden jedoch hinfällig, da im Jahre 1808 
die Gesetzkommission tatsächlich aufhörte zu bestehen. Im Jahre 1810 
bestand also eine besondere Form des Zustandekommens für Gesetze 
nicht. Die Verkündigung kann ebenfalls nicht entscheidend sein. Denn 
wenn auch nach § 10 Einl. A. L.-R. Gesetze ihre rechtliche Verbind- 
lichkeit erst mit der Verkündigung erhalten, so wäre doch der umgekehrte 
Schluß, daß alle verkündeten und rechtlich verbindlichen Anordnungen 
Gesetze sind, keineswegs gerechtfertigt. Im Gegenteile sollen nach der 
Verordnung vom 27. Oktober 18105) nicht nur die Gesetze, sondern 
auch die Verordnungen, soweit sie mehr als ein Regierungsdepartement 
betreffen, durch die Gesetzsammlung verkündet werden. Endlich ist die 
Verordnung nach ihrem Inhalte kein Gesetz. Ueber die Gesetzeseigen- 
schaft kann nur das zur Zeit ihres Erlasses geltende Recht, der 8§7 
Einl. A. L.-R., entscheiden. Hiernach sind aber nur diejenigen Ver- 
ordnungen, welche die besonderen Rechte und Pflichten der Bürger 
bestimmen oder die gemeinen Rechte abändern, ergänzen oder erllären, 
als Gesetze anzusehen. Daß die Organisation der Ministerien die 
besonderen Rechte und Pflichten der einzelnen Staatsangehörigen nicht 
berührt, ist selbstverständlich, mag man auch unter diesen besonderen 
Rechten und Pflichten verstehen, was man will. Die Organisation der 
Ministerien war aber weiter vor dem Jahre 1810 nicht durch die 
gemeinen Rechle bestimmt, eine Neuorganisation enthielt somit keine 
Abänderung, Ergänzung oder Erklärung. Hiernach ist die Organi- 
sationsverordnung vom 27. Oktober 1810 nicht als Gesetz, sondern 
als Verordnung anzusehen. Die Organisation der Ministerien fällt 
also nicht in das Gebiet der Gesetzgebung, sondern in das der 
Regierungto). 
Endlich hat man noch behauptet, daß, wenn durch Gesetz einer 
Behörde bestimmte Funktionen übertragen seien, eine Aenderung in der 
Organisation nur durch Gesetz erfolgen könne, da die Organisations- 
änderung zugleich eine Gesetzesänderung enthalte. Diese Schlußfolge- 
rung ist nicht ganz von der Hand zu weisen, trifft aber den Kernpunkt 
der Sache nicht. Hat ein Gesetz zum Inhalte die Bestimmung der 
Zuständigkeit der Behörden, so ist es ein Organisationsgesetz, unter- 
12) G.-S. 1810, S. 1. 
16) Zahlreiche praktische Beispiele der Organisation der Ministerien 
durch Verordnung nach Erlaß der Verfassungsurkunde siehe bei Gneist, 
Gesetz und Budget, S. 43 ff.
	        
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