Full text: Preußisches Staatsrecht. Erster Band. (1)

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504 Das Verfassungsrecht. 5 77 
Volke. Jede ausdrückliche Willenserklärung des Volkes war Gesetz, 
welchen Inhallt diese Willenserklärung auch haben mochten). Das 
Gewohnheitsrecht wurde als stillschweigende Willenserklärung der im 
Volke ruhenden souveränen Staatsgewalt der ausdrücklichen Erklärung 
des Staatswillens gleichgestellte). In der Kaiserzcit änderte sich der 
Begriff des Gesetzes nichtsd). Allerdings stellen die klassischen Ju- 
risten vielfach Gesetz und allgemeine Rechtsregeln gleicht), aber nur 
deshalb, weil sie, sich nur mit dem Privatrechte befassend, nur die 
Rechtsquellen des Privatrechtes entwickeln wollten. Diese waren Gesetz 
und Gewohnheit, ausdrücklicher oder stillschweigender Wille des Gesetz- 
gebers. Für das Privatrecht konnte man also Gesetz und Rechtsnorm 
als gleichbedeutend behandeln. Daß noch andere Gegenstände als 
Rechtsnormen durch Gesetz geregelt wurden, und die betreffenden 
Staatsalte lediglich um ihrer Form willen Gesetze hießen, kümmerte 
die Privatrechtsjuristen nicht, da diese Gegenstände anderen Gebieten 
als dem Privatrechte angehörten. Der staatsrechtliche Charakter der 
Gesetze war unter der Kaiserzeit kein anderer als unter der Republik, 
indem eine Unterbrechung des Rechtszusammenhangs in keiner Weise 
stattfand. Die verbindliche Kraft der kaiserlichen Willensentschließungen 
leitete man ebenfalls aus dem Volkswillen her, da das Volk durch die 
Gesetz und Verordnung, Freiburg i. B. 1887 und dazu Brie, Zur 
Theorie des konstitutionellen Staatsrechts im Archiv für össentliches 
Recht Bd. 4 (1889), S. 1 ff.; Klöppel, Gesetz und Obrigkeit, Leipzig 
1891; Anschütz, Die gegenwärtigen Theorien über den Begriff der 
gesetzzebenden Gewalt, 2. Aufl., Tübingen und Leipzig 1901; Arndt, 
Das selbständige Verordnungsrecht, Berlin 1902; Hubrich, Die Grund- 
lagen des monarchischen Staatsrechts Preußens, insbesondere mit Rück. 
sicht auf den Begriff der gesetzgebenden Gewalt im Verwaltungsarchiv 
Bd. 16, S. 389 ff., 513 ff., Bd. 17, S. 43 ff. 
1) I. 4. J. de jure naturali gentium ct civili 1, 4: „Lex est ducc po- 
pulus Romanus senatore magistratu interrogante, veluti Consule constiluchat“. 
Beispiele von Gesetzen ohne Rechtsinhalt vgl. bei Karlowa, Nömische 
Rechtsgeschichte, Leipzig 1885, S. 410. 
2) L. 33 D. de legibus senatusque consultis ct longa consuetudinc 1, . 
!) Die Ansicht von Jellinek, Gesetz und Vorordnung, S. 42, 
der formelle Gesetzesbegriff sei in der Kaiserzeit hinter dem materiellen 
der allgemeinen Rechtsregel zurückgetreten, erscheint hiernach nicht be- 
gründet. Die Widerlegung der Jellinekschen Ansicht siehe oben 
im Texte. 
4) Vgl. z. B. Papinian in L. 1 D. de legibus 1, 3.
	        
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