Metadata: Preußisches Staatsrecht. Erster Band. (1)

44 Grundzüge der Verfassungsgeschichte. 87 
schuß unter Vorsitz des Staatskanzlers, bestehend aus von diesem zu 
ernennenden einsichtsvollen Staatsbeamten und Eingesessenen der Pro— 
vinzen, in Aussicht genommen. Die Einsetzung des Ausschusses wurde 
jedoch durch die Verwaltungsorganisation verzögert und erfolgte erst 
durch eine Kabinettsordre vom 30. Mai 1817 aus Mitgliedern des 
Staatsrates. 
Offenbar war sich sowohl das deutsche Komitee des Wiener Kon— 
gresses, welches in der Verfassungsfrage unter preußischem Einflusse 
handelte, wie die preußische Regierung selbst gar nicht darüber klar, 
ob die künftige Verfassung eine landständische oder eine Repräsentativ- 
verfassung sein solle. Es geht dies schon daraus hervor, daß die 
grundlegende preußische Verordnung vom 22. Mai 1815 beide Aus- 
drücke, Repräsentation und Stände, als gleichbedeutend nebeneinander 
braucht. Gleichwohl mußte man sich über die Bedeutung klar werden, 
ehe man an die Ausführung gehen konnte. War eine ständische Ver- 
fassung im eigentlichen Sinne gemeint, so konnte, da die ständische 
Gliederung der Gesellschaft vernichtet war, nur eine Vertretung der 
Besitzmassen, Großgrundbesitz, bäuerlicher Besitz und Städte, erfolgen. 
Von der Ausführung hing es ab, jeder Besitzmasse eine ihren da- 
maligen Leistungen für den Staat entsprechende Vertretung zu ver- 
schaffen. Bei der Repräsentativverfassung wurde dagegen das Volk 
als solches, vielleicht unter Ausscheidung derjenigen Elemente, deren 
Leistungen für den Staat zu gering waren, vertreten. In der Aus- 
führung konnten beide Gesichtspunkte sich nähern, womöglich mitein- 
ander vereinigt werden, wie dies z. B. in der bayerischen Ver- 
fassungsurkunde vom 26. Mai 1818 geschah. 
In Preußen verzögerte jedoch noch eine weitere Schwierigkeit die 
Erledigung der Verfassungsfrage. Es waren die demagogischen Um- 
triebe und die dagegen auf den Kongressen von Karlsbad und Troppau 
getroffenen Maßregeln, welche die Verfassungsangelegenheit völlig ins 
Stocken brachten. Dazu kamen die Schwierigkeiten, welche den süd- 
deutschen Regierungen ihre neubegründeten, an das parlamentarische 
Leben noch nicht gewöhnten Kammern bereiteten"). Aber selbst wenn 
4) Diese Gründe für das Aufgeben der Verfassungspläne auf Grund 
des urkundlichen Materials zuerst entwickelt zu haben, ist das Ver- 
dienst von H. v. Treitschke in dem Aufsatze: „Der erste Verfassungs- 
kampf in Preußen“ in den Preußischen Jahrbüchern 1872 und im 
2. Bande seiner Deutschen Geschichte.
	        
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