516 Das Verfassungsrecht. 8 78
nach der Art und Weise seines Zustandekommens, der Willensüber—
einstimmung des Königs und beider Häuser des Landtages, bestimmt.
Aber auch wenn der Art. 62 unter dem Worte „Gesetz“ den ma-
teriellen Gesetzesbegriff verstände, so läge in ihm nicht ausgesprochen,
was Gegenstand der Gesetzgebung wäre, sondern nur wic ein mate-
rielles Gesetz zustande käme. Er würde den sogenannten materiellen
Gesetzesbegriff nicht enthalten, sondern nur voraussetzen. Das er-
lennt auch die ältere Auffassung vollständig an, sie meint nur, der
von der Verfassungsurkunde vorausgesetzte Gesetzesbegriff sei der der
staatlichen Rechtsnorm überhaupt im Gegensatze zum Gewohnheits-
rechtet). Diese Bedeutung mögen die Privatrechtsjuristen immerhin
mit dem Worte Gesetz verbinden, da es für sie keine anderen staat-
lichen Rechtsnormen gibt als Gesetze und keine anderen Gesetze als
staatliche Rechtsnormen. Mit nichten war dies aber der Standpunkt
des preußischen Staatsrechtes. Wie man überhaupt zu der Annahme
gelangen konnte, die Verfassungsurkunde setze als Gesetz im materiellen
Sinne den von der konstitutionellen Lehre erfundenen Begriff vor-
aus, wonach jede staatliche Rechtsnorm Gesetz ist, erscheint von staats-
rechtlichem Standpunkte nicht recht erfindlich. Wenn ein neues Gesetz
einen juristischen Begriff, der in dem bisherigen Rechte schon vor-
handen war, voraussetzt, so läßt es eben in dieser Beziehung das
bioher geltende Recht unberührt. Der vorausgesetzte Begriff kann
daher nicht aus irgend einer politischen oder philosophischen Richtung,
sondern nur aus dem positiven, geltenden Rechte entnommen werden.
Dies war aber der § 7 Einl. A. L.-N., der weit davon entfernt ist,
Gesetz und staatliche Rechtonorm einander gleichzustellen.
Tatsächlich hat man auch zur Zeit des Erlasses der Verfassungs-
urkunde gar nicht angenommen, daß alle Rechtsnormen Gesetze seien.
Es geht dies mit völliger Klarheit hervor aus § 81 der Regierungs-
vorlage zur Verfassungsurkunde, wo es heißt: „Zur Ausführung der
in den §88 4, 5, 6, 62, 63, 64, 65, 66, 67 und 68 ausgesprochenen
Grundsätze werden besondere Gesetze ergehen. Bis zum Erlaß dieser
Gesetze bleiben die in bezug auf die Gegenstände derselben bestehenden
Gesetze und Rechtsnormen in Gültigkeit.“ Daß man bei den Rechts-
normen nicht an das Gewohnheitsrecht dachte, bedarf bei der bekannten
Stellung des preußischen Rechtes zu diesem keiner weiteren Ausführung.
4) Laband, Budgetrecht, S. 3 ff.; H. Schulze, a. a. O.